Die Rechte der Stadt

In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts verstand es die Stadt Steckborn, sich gegenüber dem Kloster Reichenau in Gericht und Verwaltung vermehrte Selbständigkeit zu sichern. Zusammen mit den Flecken Reichenau, Allensbach und Berlingen hatte Steckborn ein Burgrecht mit der mächtigen Stadt Konstanz geschlossen. Da die Abtei keine Einwilligung zu diesem Bündnis gegeben hatte, entstanden hieraus allerlei Anstöße, die 1395 aus der Welt geschafft wurden, indem Steckborn dem Burgrecht mit Konstanz gegen die schriftliche Zusicherung der Abtei entsagte, seine Rechte und Freiheiten zu respektieren. 1441 wurden diese Rechte näher umschrieben: die Stadt kann ein oder zwei Mal im Jahr einen Bürgermeister wählen, muß aber gleichzeitig dem reichenauischen Ammann (Meier) schwören, keine der Abtei schädliche Neuerung einzuführen. Bussen und Strafen über fünf Schilling gehören zu zwei Dritteln der Abtei, zu einem Drittel der Gemeinde. Das Umgeld, eine Gebrauchssteuer, können die Steckborner, solange es dem Abt gefällt, selber einziehen. Ohne die Bewilligung des Gerichtsherrn darf die Gemeinde niemanden als Bürger aufnehmen. Dieses Stadtrecht ist zwar im Verhältnis zu anderen Städten bescheiden, aber wir entnehmen ihm immerhin, daß die Bürger selber den Bürgermeister wählen konnten. Als erste Bürgermeister werden 1431 Heini Schlupi und Konrad Menninger erwähnt. In der Folge bestellten die Bürger bis 1798 alle zwei Jahre in Anwesenheit eines Vertreters der Abtei einen Kleinen Rat mit 12 Mitgliedern (darunter die zwei Bürgermeister und die zwei Säckelmeister, die alljährlich im Amt abwechselten) und ergänzten denselben durch die Zuwahl von 12 weiteren Mitgliedern zum Großen Rat. Zur Behandlung wichtiger Angelegenheiten wurden 36 durch Zuwahl vom Rat selbst ernannte Verordnete beigezogen. Das Gericht bestand aus Mitgliedern des Rates, stand aber nicht unter dem Vorsitz eines Bürgermeisters, sondern des von der Reichenau direkt ernannten Ammanns. Eine Gewaltentrennung bestand somit nicht, und in den Räten finden wir immer wieder die gleichen einflußreichen Familien. In einer Ratsliste von 1650 sind 25 Familien in Rat und Gericht vertreten, am meisten folgende Geschlechter: Labhart mit 13 Mitgliedern, Deucher mit 11, Hausmann mit 9, Füllemann mit 8, Schiegg mit 5, Hanhart mit 4 Mitgliedern. In den Ratslisten von 1691 finden wir nur noch 12 Familien: die Hanhart 9 Mal, die Labhart 7 Mal, die Füllemann und Hausmann je 5 Mal, die Deucher 2 Mal und 7 weitere Familien je 1 Mal. Außer den genannten sind ferner in Urkunden und Akten des 17. Jahrhunderts folgende Bürgergeschlechter erwähnt: Bauer, Baldi, Basler, Diringer (Düringer), Guhl, Graf, Gräfli, Götsch, Hirtenstein, Horber, Kauf, Menninger, Meyer, Schneider, Siegwart, Ulmer, Weber, Wilhelm und Wüger.