Die Jakobskirche in Steckborn

Auf den Kirchturm.....

Steckborn erhielt 1313 das Marktrecht durch Kaiser Heinrich VII.   1963 wurde dieses Ereignis in Steckborn (650- Jahrfeier) gefeiert und 2013 waren es 700 Jahre. Zur Zeit der Stadtgründung zählte die Gemeinde nur etwa 600 Einwohner, gehörte aber zu den ältesten Kirchgemeinden auf jetzigem thurgauischem Gebiet. Die Vorteile, die unserem Städtchen daraus erwuchsen, dürften nicht allzu gross gewesen sein. Der Geschichtsschreiber J. A. Pupikofer bemerkt dazu: "Steckborn, unter der Abtei Reichenau, war wenig selbständig; die Bürger hatten ausser dem Marktrecht vor den Landleuten wenig andere Vorteile voraus, als welche unmittelbar aus der Befestigung des Ortes hervorgingen, grössere Sicherheit gegen unerwartete feindliche Ueberfälle.

Abt Diethelm starb im Jahre 1343 nach einem wechselvollen und tatenreichen Leben; unter seinem Nachfolger Eberhard von Brandis, der von 1343 bis 1379 regierte, kehrte das alte kostspielige Wohlleben wieder ein. Eberhard setzte beim Papst die Einverleibung des Vermögens der dem Heiligen Jakob geweihten Kirche zu Steckborn in die Abtei durch. Die Einkünfte betrugen etwa 20 Mark Silber jährlich, welche der Abtei zufielen, die ihrerseits für die kirchlichen Bedürfnisse der Gemeinde aufzukommen hatte. Das Kollaturrecht, d. h. das Recht, den Pfarrer einzusetzen, verblieb der Abtei bis 1540, als das Kloster Reichenau dem Hochstift Konstanz inkorporiert und der Bischof zugleich Abt der Reichenau wurde. Erst mit der Aufhebung des Klosters Reichenau 1803 ging das Kollaturrecht an die thur-gauische Regierung über; 1831 wurde es den beiden Kirchgemeinden zuteil, und erst ab 1845 wählte die evangelische Gemeinde ihren Pfarrer selber. Der Abt von Reichenau setzte somit den katholischen wie den evangelischen Geistlichen ein; nach der Reformation schickte er evangelische Prädikanten und katholische Pfarrherren nach Steckborn. War eine Neuwahl notwendig, so baten die Evangelischen meistens die Stadt Zürich, ihnen einen Kandidaten zu nennen, der alsdann der Genehmigung des Kollators bedurfte. Es versteht sich, daß diese seltsamen Verhältnisse Stoff und Ursache zu allerlei Anständen boten, zumal die Nachfolger des Abtes Diethelm sich mehr an den Einkünften der Pfründe als an der seelsorgerlichen Betreuung ihrer Pfarrkinder interessiert zeigten.

Neben der Leutkirche bestanden verschiedene Kapellen: Die Michaelskapelle in Berlingen, das in der Frühzeit nach Steckborn pfarrgenössig war, die Niklauskapelle in Feldbach, die an die Leutkirche angebaute Marienkapelle und die Jodocuskapelle auf dem Friedhof. Den vier Kaplaneistiftungen - Frühmeß-, Pirmin-, Maria- und Häringkaplanei - stand jeweils ein Kaplan vor; der Stiftungsbrief der Frühmeßpfründe aus dem Jahre 1397 liegt -neben rund 1500 Urkunden aus den Jahren 1300 bis 1800 - als Pergamenturkunde mit dem Siegel von Abt und Konvent der Reichenau im Bürgerarchiv Steckborn. Im Jahre 1253 wurde in Feldbach unterhalb Steckborn an Stelle einer bestehenden Burg oder in Verbindung mit ihr ein Frauenkloster nach der Regel der Zisterzienser gegründet. Es hat weder eine große Rolle gespielt, noch war es mit viel Glücksgütern gesegnet; als im Jahre 1746 Landvogt Landolt aus Zürich eine Huldigungsreise durch den Thurgau unternahm, schrieb er von Feldbach, es sei ein armes Nonnenkloster, von dem nichts Merkwürdiges zu melden sei.

Da Reichenau nach dem Tode des Abtes Diethelm wieder sehr verarmte, wurde 1326 vom Papst berwilligt, dass die Kirche Steckborn und ihre Einkünfte der Abtei einverleibt werden." Mit dem Hinweis auf Befestigungen können nur die Stadtmauern und der Turmhof gemeint sein. Wie die Kirche, mit dem Kirchenpatron Jakobus, in ältesten Zeiten ausgesehen hat, ist durch die Notgrabung im Spätherbst 1968 von Dr. Sennhauser, Archäologe und Mitglied der schweizerischen Denkmalpflege, einigermassen klar geworden. Nach einer Urkunde ist eine Kirche schon 100 Jahre vor Erhaltung des Marktrechtes authentisch erwiesen; also schon Anno 1213.



alte Grundmauern von früheren Kirchgebäuden

Anlässlich der Ausgrabungen im Kircheninnern machte Dr. Sennhauser in einem Vortrag darauf aufmerksam, dass nach der Gründung des Klosters Reichenau im Jahr 724 kaum ein Jahrhundert verflossen sein mochte, als von dort aus eine Kapelle im reichenauischen Steckborn erbaut wurde. Die erste Kirche stammte aus dem 9. Jahrhundert und war ungefär ein Viertel so gross wie die heutige Grundfläche.Mit den Jahren wurde diese laufend vergrössert und war um die Jahrtausenwende bereits als Kirche anzusprechen. Zur Kirche von 1213 gehörten bereits vier Kapellen, die zum Teil als Annexe an diese angebaut waren. Die zugehörigen Stiftungen sind nur durch zwei Briefe beglaubigt. Sie betreffen die Pirmins- und die Maria- Kaplanei. Die Maria-Kaplanei war seinerzeit von der Steckborner Bürgerschaft gestiftet worden. Die dritte Pfründe verdient besonderes Interesse. Ihr Stifter war Ulrich Höring, offenbar ein auswärts wohnender, vermöglicher Steckborner Bürger. Nach seinem Namen hiess sie Häringspfründe, später auch Liebfrauen- oder Merzpfründe. Die letzte Benennung deutet auf den Inhaber dieser Pfründe, Kaplan Merz, hin. Man geht kaum fehl in der Annahme, dass das alte Schulhaus, etwas Reb- und Wiesland und ein Krautgarten vor dem Städtli, dazu gehört haben. Haus und Land bildeten den Naturallohn des Kaplans.

Seit der Reformationszeit (1534) wurde die Kirche bis 1962 von beiden Konfessionen gleichzeitig benutzt.

älteste Abbildung der Kirche mit Turm (Spitzdach) auf Ostseite

 

Abbildung mit Turm auf Ostseite (Kuppeldach)

Anno 1709 bestand die evangelische Gemeinde Steckborn aus 342 Haushaltungen mit 1255 hiesigen und 170 abwesenden Bürgern. Dazu kamen noch 56 fremde Dienstboten. Verschiedene Bürger sind in holländischen und sizilianischen Diensten. Anno 1876 notiert Pfarrer Martin Klotz (in Steckborn 1862 bis 1883) 1533 Evangelische und 856 Katholiken.

1711 wurde die Kirche renoviert, sie erhielt neue Fenster und eine neue Tafeldecke. Der ganze Innenraum wurde geweisselt. 1734 wurde eine durchgreifende Reparatur des Turmes vorgenommen, grösstenteils von schwäbischen Baumeistern. Erst 100 Jahre später, 1834, wurde ein neuer Turm gebaut und zugleich sein Standort gewechselt. Von der Ostseite kam er westlich der Kirche zu stehen, wie er sich heute noch präsentiert. 1715, 1734 und 1737 forderten die Evangelischen beim Kollator, der auch Hauptzehntherr und daher baupflichtig war, entweder eine gründliche Reparatur der Kirche oder, was besser wäre, einen Neubau. Es geschah aber nichts, obschon oft des Nachts die Kirchennachbarn in der Kirche dumpfe, beängstigende Geräusche hörten, und man einen Einsturz der Mauern befürchtete. Erst im Sommer 1764 hatten die Steckborner endlich Erfolg beim neuen Bischof Franz Konrad von Konstanz, der mit einem Neubau einverstanden war. Er liess durch seinen Baudirektor, Franz Anton Bagnato, die Kirche gründlich untersuchen: Kurz vorher war das auf Wunsch der Gemeinde durch den berühmten Kirchenbaumeister Ulrich Grubenmann aus dem Kanton Appenzell auch geschehen. Sein Urteil lau¬tete: "Die Kirche in Steckborn ist so baufällig wie kaum eine andere in der Schweiz." Bagnato verlangte 12'820 Gulden für einen Neubau ohne Turm. Gruben¬mann machte eine Offerte von 12'000 Gulden, und wenn der Turm dazu käme. 1000 Gulden mehr. Im Februar 1766 wurde mit Bagnato der Bauakkord abgeschlossen. In der Bauverpflichtung wurden die Schreinerarbeiten ausgenommen, und dem Baumeister wurde eine Summe von 1600 Gulden zugesprochen, zahlbar in Raten bis Ende 1767. Der thurgauische Landammann Schindler aus Glarus berichtete bereits im Oktober 1766 nach Zürich, das neue Gotteshaus sei schon gedeckt. Ein Protokoll aus dieser Zeit ist erhalten. Leider ist auf einer einzigen Seite vom Kirchenbau die Rede. Es finden sich nirgends Pläne oder Baubeschriebe, auch keine detaillierten Berechnungen, im Unterschied zum Bau des neuen Kirchturmes

Ansicht von Hermann Labhart 1836-79

Ansicht von Hermann Labhart 1836-79

vom Jahre 1834, über den genau Rechenschaft gegeben wird in Gulden und Kreuzern. Noch während des ganzen folgenden Jahres hatte sowohl der Baumeister, als auch der Schreiner, welche die Kirchenstühle und die Kanzel zu machen hatte, Arbeit in und an der Kirche.

Die vorletzte Renovation fand im Jahre 1924 statt, unter den beiden jungen Architekten Hans Labhart von und in Steckborn und dem zürcherischen Jakob Hofmann-Hämmerli. Die ehemalige Organistin, Fräulein Seline Geiger, hatte die Renovation Anno 1924 miterlebt. Sie erzählte, dass sie, als sie 1920 als Lehrerin nach Steckborn kam, genötigt war, eine Kerze, später eine Taschenlampe zu benützen, wenn sie unter Licht oder an Weihnachten hinter der Orgel sass, um die Orgelpfeifen zum Klingen zu bringen. Dazu musste sie sich erst noch nach Orgeltretern umsehen, wenn die Läuterbuben nicht mehr zur Stelle waren. Auch musste sie sich extra warm anziehen, wenn sie üben wollte, denn eine Kirchenheizung gab es keine. Unterdessen war aber der Gebrauch der Elektrizität allgemein geworden. Bei der Renovation 1924 gab es nun zwei imposante Kandelaber auf der Empore. Der Kirchenraum wurde von Wandbeleuchtern erhellt. Auf der Orgel gab es elektrische Beleuchtung am Notenpult. Tastenbeheizung kam dazu und elektrischer Orgelantrieb, wodurch die Orgeltreter erfreulicherweise entbehrlich wurden. Die Kirchenfenster wurden mit einer farbigen Bordüre geschmückt. Die Wandbänke an den beiden Längsseiten bekamen neue Täferung. Der geflickte, moosgrüne Chorvorhang wurde durch einen in altgoldener Farbe ersetzt.

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Eine neue Kirchenbestuhlung kam dazu. Durch diese Renovation bekam das Kircheninnere ein neues Gesicht. Den Herren Architekten schwebte der neu-klassizistische Stil vor, dessen Merkmale auch am neuen Kirchturm, erbaut 1834, angedeutet sind. Glücklichenweise blieben die Kanzel und die Stuckaturen von einer Renovation verschont. Die Kanzel, mit der schönen Einlegearbeit, ist ein Prachtshandwerkstück im Stil des 18. Jahrhunderts. Sie wurde gestiftet von Stadtrichter Wüger und entstand in der Werkstatt des einheimischen Kunstschreiners Füllemann. Da sie ganz dem Bagnato-Stil angepasst war, blieb sie ein wertvolles Requisit für die Restauration 1968.

Innenraum mit Gerüst zur Deckenreparatur

Damit nehmen wir Abschied vom Kirchenraum, der 1924 von den beiden vorgenannten Architekten nach bestem Können in der Sicht jener Jahre gestaltet wurde. Von den Stuckaturen abgesehen, war ihre Renovation für jene Zeit eine einheitliche Lösung und die heute älteren Steckbornerbürger und auch die Ansassen, die 40 und 50 Jahre die paritätische Kirche besuchten, fühlten sich daheim in jenem Kirchenraum. Rein gefühlsmässig ging von ihm eine gewisse Wärme aus, und es gibt immer noch ältere Kirchenbesucher, die ihm nachtrauern. Wenden wir uns zum Schluss unserer "neugeschenkten" Kirche zu, die so manche und sicher immer gut überlegte Renovation hinter sich hat und die nun im alten, ursprünglichen Sinn und Geist auferstanden ist!

Der ehemalige Schöpfer, Baudirektor Bagnato vom konstanzisch-fürst-bischöflichen Oberherrn in Meersbug, dem unsere Gegend Schloss Mainau, das neue Schloss in Meersburg, das Rathaus in Bischofszell, das Schloss Glarisegg, neben etlichen anderen Bauten in Süddeutschland und eben unsere Kirche ihr stilreines Gepräge verdanken, würde bestimmt auch unserem Denkmalpfleger Dr. Albert Knöpfli und seinem Architekten Oberhänsli für die sorgfältige, getreue Restauration seine volle Zustimmung geben. Wir können tatsächlich von Glück reden, dass die reichen und doch nicht überladenen Stuckaturen ihre Ursprünglichkeit behalten durften. Es war für den Denkmalpfleger ein schönes Stück Arbeit, den reinen Stil von Bagnato hervorzuholen. Der jetzige saubere, stilechte, lichte Kirchenraum, wie er sich nun wieder präsentiert, muss jeden Kirchenbesucher, der Stilgefühl besitzt, in hohem Masse beglücken. Er ist tatsächlich ein ausgesuchtes, historisches Schmuckstück unseres Städtchens geworden. Die Kirchenfenster, im Wabenmuster des Barocks, ohne jeden farbigen Dekor, lassen nun die kunstvollen Stuckaturen um dieselben herum wieder richtig zur Geltung kommen. Dabei ist das Kunsthandwerkliche des Stuckateurs zu bewundern, denn jeder Fensterschmuck zeigt andere Formen. Die herrliche Stuckaturdecke und die eleganten Ornamente an der Balustrade der Empore sind eine Augenweide für sich. Nicht vergessen dürfen wir die Untersicht des Chorbogens.

Labhartwappen

Hanhartwappen

Malermeister Ilg von Steckborn hat mit grosser Geduld und der nötigen Sorgfalt die ursprünglichen Formen und Farben unter einer Gipsschicht hervorgeholt und sie meisterhaft restauriert. Ein Schmuckstück für sich. Dieser Chorbogen ergänzt nun neben dem in Gold ausgeführten Mahnwort: "Soli Deo Gloria", den beiden Bürgermeisterwappen Labhart und Hanhart mit dem vornehmen Graublau der Stuckaturen, den einzigen farbigen Akzent an der Kanzelwand.

Orgel in ihrer ganzen Pracht

Die vier freihängenden Kristallglasleuchter mit je 24 Glühbirnen und die völlig neue Orgel der Orgelbaufirma Kuhn in Männedorf, von der auch die alte Orgel gebaut war, mit 27 Registern und ihren über 1000 Pfeifen, sind, wenn man kritisieren will, die einzigen massgebenden Neuschöpfungen und könnten als Fremdkörper angesprochen werden. Aber sie sind vornehm und fügen sich so gut in den restaurierten Raum ein, dass sie unmöglich als störend empfunden werden können.

Grabplatte (war vorher an Aussenwand Friedhofgebäude - Kehlhof)

Im Gegenteil, sie bereichern ihn wohltuend und erwecken allgemeine Bewunderung. Die Restauration 1968 der alten Jakobskirche in Steckborn ist ein wohlgelungenes Werk unseres Denkmalpflegers Dr. Albert Knöpfii und seines einfühlenden Architekten Ernst Oberhänsli in Kreuzlingen. Beistimmend begrüsst man es, dass die alte Kirche von Steckborn im neuerstandenen Gewände nun unter Denkmalschutz steht.

Herbst 1971 O. Wegmann- Bürki

Eine Besichtigung
Durch den Turm betritt man das Innere des breiten, festlich hellen Kirchenraumes mit seinem kleinen korbbogengeöffneten Altarhaus (Chorraum). Mit feinen Mitteln verband Bagnato die protestantische Idealform des quergerichteten Predigtraumes mit umlaufenden hufeisenförmigen Emporen (das gepredigte Wort sollte gut verstanden werden) mit dem katholischen gebräuchlichen Längsbau. Der Stil kündigt den Vorabend des Klassizismus an.
Die Kanzel mit Rokoko-Ornamenten stammt aus dem Jahre 1767 (Stifter Johannes Wüger).
Die Stukkaturen umfassen verschiedene Kartuschen. Am Chorbogen trägt die mittlere die Inschrift SOLI DEO GLORIA (Allein Gott die Ehre). Über dem Chorbogen sind die Wappen der am Bau beteiligten Familien - links Labhardt, rechts Hanhart. Die Malereien im Chorbogen wurden nach Befunden weitgehend rekonstruiert und wieder abgedeckt.
Als Rest des barocken Hochaltars gelangten zwei Holzfiguren des Hl. Jakobus und Johannes ins Heimatmuseum. Der Wandteppich im Chor wurde 1974-75 von Gemeindegliedern gestickt.
Die Orgel stammt aus dem Jahr 1970 und ist von der Firma Kuhn (Männedorf) gebaut worden.
Den Kirchplatz säumen auf der westlichen Stadtmauer sitzende massgebende Bauten des 18. Jahrhunderts:
•    das ehemalige Waschhaus und heutiges Sekretariat der Kirchgemeinde
•    das ehemalige Alte Schulhaus (erstmals als Schule 1525 erwähnt) und heutiges Kirchgemeindehaus
•    Das Pfarrhaus

von Pfr. Andreas Gäumann