Neujahrsblatt Steckborn 1830

Bekannte Litho von E. Labhart

Thurgauisches Neujahrsblatt, der Jugend, zur Belehrung und Ermunterung, auf das Neujahr 1830 gewidmet, von Der Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Gemeinnützigen, im Canton Thurgau Steckborn, dargestellt nach seinem gegenwärtigen Zustand und seinen bisherigen Schicksalen.

An dem mittäglichen Ufer des Untersees, drei Stunden unterhalb Constanz, zwei Stunden oberhalb Stein, liegt die Thurgauische Municipalstadt Steckborn, Hauptort des Kreises und Bezirks Steckborn. Sie ist auf einer etwas breiten Erdzunge gebaut, welche augenscheinlich durch die Anschwemmung des Schuttes aus der rückwärts liegenden, tiefen Bergschlucht gebildet worden ist. Der Bergrücken selbst aber, der sich zwischen den Seen und dem Thurtale erhebt, steigt bis gegen tausend Fuss hoch. Wiesen, besonders aber Weingärten, nehmen in bunter Mannigfaltigkeit den Raum ein, der zwischen dem Städtchen und der mit Wald bedeckten Berghöhe sich ausdehnt. Überall sind eine Menge zahmer Obstbäume zerstreut, deren Blüthe im Frühlinge mit dem Silberschimmer des Seespiegels wetteifert; vorzüglich längs dem Seeufer stehen die Obstbäume reihenweise, und ihre fruchttragenden Äste hängen bis auf das Wasser nieder. Da die Ufer eingedämmt und meistens zwei bis drei Schuh hoch aufgemauert sind; so findet der Wanderer überall einladende Ruheplätzchen, wo er im Grase gelagert, vom Baumschatten gekühlt, am Spiele der fische im klaren Grunde des Sees, oder am schnellen Laufe der segelnden Schiffe, oder an der Übersicht der lieblichen Landschaft sein Auge ergötzen kann. Bei der Abendbeleuchtung bieten die Insel Reichenau mit ihren Kirchen und Weinbergen, und – wenn man auf einem Nachen in den friedlichen See hinausstösst – die Stadt Constanz mit ihrem alterthümlichen Dome, das Kloster Petershausen und die grauen Burgthürme von Gottlieben mit den schönen Umgebungen ein herrliches Landschaftsgemälde dar. Aber nicht weniger schön ist es am frischen Morgen die Aussicht auf Mammern, Freudenfels, Eschenz, Burg, Oberstadt, Hohenklingen, Hemmenhofen, Gaienhofen, Horn, die in einem Halbkreise den untern Theil des Sees umlagern. In der vorstehenden Zeichnung, die ein junger hoffnungsvoller Künstler von Steckborn gefertigt hat, ist der Standpunkt au einer kleinen Anhöhe am Wege gegen Bernang (Berlingen) gewählt. Man überblickt Steckborn in seiner ganzen Ausdehnung; rechts beim Eingange in die Stadt zeichnet sich der Thumhof durch sein breites kuppelartiges dach und das danebenstehende spitze Thürmchen aus; weiter gegen die Mitte hin erblickt man das Thürmchen des Rathauses; im Mittelgrunde erhebt sich die weite, schöne Kirche mit ihrem zwar nicht ungefälligen, aber baufälligen Glockenthurm; das Kloster Feldbach nimmt neben der Stadt, links, eine liebliche Landzunge ein; weiter rechts, gegen den Hintergrund hin, sieht man am See die Ziegelhütte, oberhalb derselben, an der Landstrasse, den herrlichen Landsitz Glarisegg und über demselben den zerfallenen Thurm des Schlosses Neuenburg. Jenseits des Sees liegt am Ufer, links, das Dorf Hemmenhofen, höher, gegen die Mitte des Bergabhanges hin, das herrschaftliche Schloss Marbach, und in schwachen Umrissen lässt sich tiefer am Ufer das Dorf Wangen erkennen. Alle diese Ortschaften, wie in einem Kranze den bläulichen See umgebend, gewähren einen sehr reizenden Anblick. Unter der Dammerde besteht der Boden des Talgrundes aus einem fetten Thone; am Bergabhange aber läuft beinahe überall ein weicher Sandstein aus, der den Kern des Bergrückens ausmacht. Da dieser Sandstein sich leicht auslöset, so wirkt die Vermischung seiner Bestandtheile mit dem Tonboden auf die Fruchtbarkeit sehr günstig. Ohne diesen Vortheil möchte, bei der mitternächtlichen Senkung des Bodens, der Weinbau kaum mit Vortheil betrieben werden können. Die Wiesen sind meistens fett. Sommerfrüchte gedeihen wohl. Reichen Ertrag geben die Obstbäume.Die Waldungen auf der Höhe haben einen kräftigen Wuchs , und bestehen theils aus Nadelholz, theils aus Laubholz. Der See ist fischreich; vorzüglich häufig wird um Steckborn herum die zarte Trische gefangen. Jeden Winter beinahe überfriert der See, und wochenlang kann er alsdann, sowohl des Gewinns, als auch der Lust wegen, wie eine Strasse gebraucht werden. Es ist wohl nicht zu zweifeln, dass die schöne und fruchtbare Lage Steckborns frühe schon Bewohner anlockte; wo Gewässer mit Fischen, und Waldungen mit gewild waren, liessen sich schon die alten Tiguriner und Helvetier gerne nieder. Als die Römer Helvetien beherrschten, waren die Ufer des Untersees, besonders vom Augustus an bis Julian, bewohnt und angebaut: denn oben am See die Festung Constantia (Konstanz); unten am See die Festung Gaunodurum (Burg und Eschenz) ; hinter dem Berge zu Pfyn die Festung Ad Fines; sie waren mit einander durch Strassen verbunden; an Dörfern und Landhäusern mangelte es wohl auch nicht, wie die Mauern und Münzen, die man zuweilen noch findet, bezeugen. Aus denjenigen Mauerüberbleibseln indessen, die man vor zweihundert Jahren um Steckborn gefunden haben soll, und zuweilen noch antrifft, lasst sich eben so wenig, als aus unsicheren Volkssagen folgern, dass auch Steckborn eine Stadt gewesen sey; denn die Römer bauten gewöhnlich am Rheine als Schutzwehren gegen die Einfälle der Feinde, die am Seeufer viel weniger, als bei den Ausflüssen der Seen zu fürchten waren. Die um Steckborn herum gefundenen Trümmer mögen von verstreuten Römischen Landhäusern herrühren. Genauere Untersuchung der etwa noch sich zeigenden Trümmer könnte entscheiden. Nachdem die Alemannen die Römische Herrschaft in Helvetien zerstört, und mit derselben beinahe alle Spuren Römischen Anbaus vernichtet, dann aber der Gewalt der Franken sich unterworfen hatten, nahm um das Jahr 728 nach Christi Geburt der Einsiedler Pirminius, mit Erlaubnis des Fränkischen Landvogts Saitles, von der Jnsel des Untersees, die damals Saitlesau genannt wurde, bald nachher Reichenau hiess, zur Stiftung eines Klosters Besitz. Es wird erzählt, die Jnsel sey von Schlangen und giftigen Kröten angefüllt gewesen, die auf den Wink des heiligen Mannes furchtsam geflohen, über den See schwammen und nicht mehr gesehen wurden. Diese Sage will aber wohl nichts anderes andeuten, als, Pirminius und seine Schüler haben die verwilderte Jnsel wieder angebaut und bewohnbar gemacht. Noch war indessen der Weinbau auf der Reichenau nicht eingeführt, als er bereits in Steckborn betrieben Wurde: denn von Steckborn her wurden von Abt Walafried (842849) vierzig Rebleute auf die Jnsel berufen, um Gemüsegärten und Weingärten anzulegen. Ein Edelmann der Selbo genannt wird, hatte Steckborn an die Abtei lehenpflichtig gemacht, und daher waren die Einwohner allerdings verbunden, derselben nicht nur diese, sondern noch viele andere Dienste zu leisten, die das Leibeigenschaftsrecht vorschrieb. Es wurde zuweilen schon behauptet, dass Steckborn den Grafen von Rapperswyl oder Kyburg zugehörte. Der Ritter Hiltbrand von Steckborn wird nämlich 1227 unter den dienstmännern des Grafen von Rapperswyl genannt; und im Jahre 1244 kommt unter den Gütern, welche der Graf Hartmann von Kyburg dem Bischof von Strassburg vergabte, Sedetenbern vor, welches man für Steckbüren oder Steckborn hielt. Allein jener Hiltbrand konnte Rapperswylischer Dienstmann seyn, ohne dass deswegen der Stammsitz seines Geschlechts Rapperswylischer Lehen war, besonders wenn der Ritter, als jüngerer Sohn, nicht im Besitze der Burg Steckborn war; Sedetenbern aber kann manches andere, als Steckborn gewesen sein, und es kann Steckborn um so weniger als Kyburgisches Eigenthum angesehen werden, da sonst keine Spur vorkommt, dass Kyburg daselbst Güter gehabt habe. Dazu kommt noch, dass die Herren von Steckborn , obgleich sie von der Abtei Reichenau viele Güter als Lehen inne hatten, als Freiherren angesehen wurden: dass ihre Burg, obgleich innerhalb der Stadtmauern von Steckborn, doch als Freihof mit der Gerichtsbarkeit der Stadt in keiner Verbindung war; dass endlich, wie der Verfolg zeigt, weder die Grafen von Kyburg, noch ihr Erbe, der Graf und nachherige König Rudolph, geschehen wäre, wenn er begründete Ansprüche auf die Unterthänigkeit der Herren von Steckborn gehabt hätte. Wie die Herren von Steckborn zum Besitze des Schlosses Battenhausen gekommen seyen, ist nicht bekannt, wohl aber, dass Hiltibold von Steckborn dasselbe 1251 für dreihundert Mark Silber an Bischof Eberhard von Constanz verkaufte. Sie scheinen überhaupt um diese Zeit reich an Gütern gewesen zu seyn, und selbst die Obervogtei über das Kloster Reichenau geübt zu haben; denn als Abt Albert 1267 einen Weinberg zu Bernang, genannt das Mannenwerk, verkaufte, wurden die Herren von Steckborn als Vögte um Einwilligung angefragt, und sie hängten ihr Siegel, einen gerade getheilten Schild, mit weisser und schwarzer Farbe, neben das Siegel des Bischofs an die darüber ausgestellte Urkunde.Als der alte Eberhard von Steckborn, nach dem Tode seiner Gattin, des geräuschvollen Lebens satt, in das Kloster Salmanswyl, und sein Sohn Hiltibold, mit Arnold von Langenstein in den Orden der Deutschen Ritter trat, fielen die Besitzungen der Herren von Steckborn in die Hand der Klöster Salmanswyl und Reichenau und besonders des Deutschen Ordens. Dieser Orden nämlich erlangte, grossen Theils durch die Freigiebigkeit Hiltibolds von Steckborn, das Schloss Sandegg, die Gerichtsbarkeit zu Wäldi, Herratswyler, Landertswyler, Ermatingen, Bernang, einen ewigen Zins zu Gunterswylen, einen Weinberg zu Salenstein, Steckborn, einige Güter zu Herdern, Fruthwylen, einige Einkünfte zu Winterthur mit den Leuten, Lehen und allen Rechten und Zugehörden. – Es konnte dem Kloster Reichenau nicht angenehm seyn, diese Güter , welche ursprünglich sein Eigenthum waren, im Besitze eines so mächtigen Ordens zu wissen, wie der Deutsche Ritterorden war; darum tauschte es gegen dieselben, nebst anderen benachbarten Gütern, die Insel Mainau aus, auf welcher hierauf die Comthurei gebaut wurde (1282). – Mit Eberhard und Hiltibold scheint ihr Geschlecht ausgestorben zu seyn; denn Heinrich von Steckborn, genannt Am Horne, gehört schwerlich zu ihnen. Der verschuldete Abt Rumo von St. Gallen verkaufte demselben im Jahre 1278 den Zehnten zu Stammheim, Basadingen, Guntringen, für zwanzig Mark Silber und eine jährliche Steuer von einem halben Pfunde Wachs an die Abtei. Diese Besitzungen blieben in Heinrichs Hand bis 1290, da Sorge für das Heil seiner Seele ihn bewog, dieselben an das Kloster Feldbach abzutreten. Das Kloster Feldbach, eine kleine Viertelstunde unterhalb Steckborn auf eine kleine Landzunge in den See hinaus gebaut, erhielt seinen Ursprung im Jahre 1252. Cuno von Velpach oder Feldbach hatte daselbst eine feste Burg, die er von den herren von Hohenklingen zu Lehen trug. Zum Theil weil er des Geldes bedurfen mochte, zum Theil um durch die Fürbitte frommer Menschen desto eher seelig zu werden, verkaufte er um 100 Mark Silber (2400 Gulden) die Burg, sammt der Kapelle und vielen dazu gehörigen Gütern, an die Meisterinnen und frommen Schwestern auf der Brücke zu Constanz; und diese verwandelten die Burg in ein Kloster. Das auf einem Grabsteine der innern Klosterkirche eingehauene Bild eines Ritters soll ein Denkmal Cunos seyn; allein da der Ritter sowohl an der Halsschnalle als im Schilde, auf den die Hand sich stützt, das Wappen von Altenklingen führt, so muss man annehmen, dass es das Grab eines Herrn aus diesem Geschlechte bezeichne. Wirklich haben es auch die Herren von Altenklingen nicht an Wohlthätigkeit gegen das Kloster fehlen lassen. Andere Wohlthäter des Klosters waren der Probst und Convent der augustiner zu Jttingen, welche denselben ihr Eigenthum, sammt der Vogtei zu Degerswylen, schenkten; der Probst Heinrich von Klingenberg zu Constanz, welcher einige Höfe zu Rechenwylen, Reute und Uewylen an feldbach abtrat; und viele andere benachbarte Edelleute oder Bürger von Constanz bereicherten die fromme Anstalt, um ihre Töchter daselbst unterzubringen oder in das gebet der gottergebenen Schwestern eingeschlossen zu werden. Die dem heiligen Jakob geweihte Kirche zu Steckborn ist ihrer Gründung nach ohne Zweifel sehr alt. Neben den, jetzt noch dahin gehörigen Ortschaften war besonders auch das Dorf Bernang dahin pfarrgenössig. Nicht geringen Nachtheil brachte es der Pfarre, dass sie 1326 mit der Kirche Ulm dem verarmten Kloster Reichenau einverleibt, das heisst, die Einkünfte derselben dem Kloster unter der Bedingung überlassen wurde, daselbst einen beständigen Pfarrvikar zu unterhalten. Jm Jahre 1359 stiftete die gemeinde Bernang, mit Hülfe des Reichenauischen Abtes Eberhard für die dortige St. MichaelsCapelle eine besondere Capellanei, die sich bald zur unabhängigen Pfarre erhob. Auch die Gemeinde Steckborn blieb indessen in der Begabung nicht zurück; nebst der Pfarrpfründe wurden allmälig noch vier Capellaneien gestiftet, welche den Gottesdienst durch ihre Gesänge verherrlichen halfen, und für die Seelen ihrer Wohltäter und Stifter, und der Abgestorbenen überhaupt, Gebete opferten. Man vermuthet, dass Steckborn schon um 1077, zu der Zeit, als Reichenau gegen die kaiserlich gesinnten benachbarten Klöster und Fürsten in schwere Kriege verwickelt war, oder spätestens um 1270, da die Aebte der Reichenau wieder sehr bedrängt waren, zum Schutze der zahlreichen Reichenauischen Angehörigen auf dem Thurgauischen Seeufer mit Mauern umgeben worden sey. Erst 1313 erhielt indessen die Stadt das Marktrecht. Der Reichenauische Abt Diethelm von Castell erwarb ihr dasselbe von Kaiser Heinrich VII., wie folgende Urkunde bezeugt: „Heinrich, durch die Gunst göttlicher Milde Kaiser der Römer, allen Getreuen des heil. Röm. Reiches, die diesen Brief sehen, seinen Gruss und alles Gute. Wir anerkennen, dass wir auf den Gipfel kaiserlicher Hoheit vom höchsten Könige gestellt sind, um die Ehre des Staates gewissenhaft zu fördern und den Reichsunterthanen wohl gelegene Vortheile freigiebig zu gestatten; denn indem wir durch unsere Vergünstigungen ihr Glück erweitern, entflammen wir auch ihre Ergebenheit zu desto grösserer Bereitwilligkeit und Treue. Wegen der aufrichtigen Ergebenheit und reinen Treue also, durch welche gegen uns und das Reich, der ehrwürdige, geliebte Abt des Klosters der grösseren Au, unser geschäzte Fürst, sich auszeichnet und bisher löblich und standhaft ausgezeichnet hat, haben wir seinen bescheidenen Bitten geneigte Zustimmung gewährt und bewilligen und gestatten den Angehörigen der Stadt Steckiporen, welche demselben Abte und Kloster zusteht (damit sowohl jener Abt, als seine Leute um so eifriger und rüstiger die Waffen führen, je mehr sie von der Fülle unserer Gewogenheit sich bereichert sehen) mit diesem Briefe, dass je am fünften Wochentage in der genannten Stadt ein Wochenmarkt, den wir hiermit in kaiserlicher Vollmacht zu verkünden, von jetzt an in Zukunft zum Vortheile jeder Art Verkehrs abgehalten werde, und wir wollen, dass die, welche diesen Markt besuchen, im Kommen und im Gehen für ihre Personen und Waaren unsers Schutzes und der Marktfreiheiten geniessen. Keinem Menschen sey es also erlaubt, den Jnhalt unserer Vergünstigung und Bewilligung zu verletzen oder demselben mit frevelhafter Wagnis entgegen zu handeln; denn wer solches zu thun sich unterstände, der wisse, dass er unsere Ungnade und eine Strafe von fünfhundert Mark an unsere Kammer zu zahlen auf sich laden würde. Zum Zeugnisse dessen haben wir diesen Brief mit dem Siegel unsrer Majestät versehen lassen. Gegeben bei dem Kaisersberg, im Lager oberhalb Florenz, am 25. Jänner, im Jahre des Herrn 1313, unserer königl. Regierung im 5. , unsers Kaiserthums im ersten Jahre.“ Die Grundsätze der Milde und Gerechtigkeit, welche in diesem Briefe des Kaisers sich aussprechen, waren nicht, wie dies bei seinen Vorfahren und nachfolgern der Fall war, blosse Verzierungen der Urkunde; sondern sie drückten wirklich die Gesinnungen aus, durch welche dieser Kaiser ausgezeichnet war. Obgleich nicht ausdrücklich gemeldet wird, dass Steckbornsche Bürger im Begleite des Abtes Diethelm bey dem Kaiser Kriegsdienste geleistet haben, scheinen doch einige Ausdrücke des Briefs darauf hinzudeuten. Jn diesem Falle wäre die Ertheilung des Marktrechtes an ihre Stsdt als ein Beweis der Zufriedenheit mit ihren geleisteten Diensten anzusehen. Abt Diethelm fühlte übrigens besondere Zuneigung für Steckborn. Er soll die durch Hiltebold von Steckborn an das Ritterhaus Mainau übergegangenen Herrschaftsrechte zu Steckborn wieder an seine Abtei gebracht haben. Als er des Beisammenlebens mit den übermüthigen Klosterherren zu Reichenau überdrüssig wurde, baute er zu Steckborn, aus gehauenen Steinen, hart am Ufer, in die Stadtmauer hinein, den festen Thurm, mit einem geräumigen Hofe. Hier lebte er stille, und doch immer der Abtei nahe, den Geschäften seines Amtes, und er genoss die Freude, dass er, allen Spöttereien der Conventbrüder zu Reichenau zum Trotze, das von seinen Vorfahren zerrüttete Stift in einem blühenden Zustande hinterliess (1342) Eine ganz andere Verwaltungsweise übten Diethelms Nachfolger, die Aebte Eberhard und Mangold von Brandis (13421369 und 13691375). Mehr mit den Küchen und Kellern, als mit Gebet und Gottesdienst, mehr mit Kampf und Krieg, als mit ihren geistlichen Angelegenheiten beschäftigt , stürzten sie nicht nur die Abtei wieder in grosse Armuth, sondern sie verwickelten auch ihre Angehörigen in vielfache Gefahren und Schädigungen. Den Bürgern von Steckborn wurde 1351 zur Pflicht gemacht, dass jeder, der nicht ganz arm sey, einen Harnisch halte und immer bereit sey, denselben für die Stadt und Abtei anzuschnallen. Der Behemb von Steckborn, der als Reichenauischer Dienstmann den Thurm bewohnte, liess sich durch Abt Eberhard bereden, den guten Bischof Johann von Constanz 1355 erschlagen zu helfen, damit die bischöfliche Würde einem Heinrich von Brandis zu Theil werde! Die Steuer, welche die Stadt jährlich an die Abtei zu bezahlen hatte, ward vom Abte an Martin Malterer von Freiburg verkauft (1342), durch diesen aber die Stadt so bedrängt, dass sie das Recht gegen ihn anrufen, und zuletzt, durch die Vermittlung der Stadt Constanz, sich dazu verstehen musste, jährlich 130 Gulden zu bezahlen. Mit Rudolf von Rosenberg stand der Abt in einer Fehde, welche zur Folge hatte, dass der Ammann von Steckborn gefangen und die Bürgerschaft genöthigt wurde, denselben mit vierzig Pfund Pfenningen loszukaufen (1376). Zwar wurde sie für diese Summe an den Weinzehnten zu Steckborn und Bernang angewiesen; es wurde ihr auch, zum Danke für ihre der Abtei geleisteten anderweitigen Dienste, (1389)vom Abte Werner bewilligt, dass der Todesfall eines Bürgers, den Erben um ein Drittheil unter dem Werthe überlassen werden solle: allein damit wollte die Stadt sich nicht begnügen, sondern, um gegen alle Rechtseingriffe und Schädigungen, von Seite der Abtei, künftig gänzlich geschützt zu seyn, schloss sie, mit Bernang und Allensbach vereint, einen Bund mit der Stadt Constanz. Sie glaubte dies um so eher thun zu dürfen, da andere grössere Städte gegen die Anmassungen ihrer Herren und Steuervögte ähnliche Vereinigungen stifteten, und seit den Freiheitsschlachten der Schweizer bei Morgarten, Laupen, Sempach, Näfels überall der Geist der Freiheit erwachte. Nur der Vermittelung des Thurgauischen Landvogts Engelhard von Weinsberg gelang es 1395, zu bewirken, dass die Bürger Steckborns auf dieses, der Abtei sehr unangenehme Bündnis, unter der bedingung zu verzichten, dass jeder Abt alle hergekommenen Rechte und Freiheiten der Stadt unangetastet zu lassen verheisse. Feierlich wurde dieses versprechen durch Siegel und Briefe von dem Abte den besorgten Bürgern zugesichert. – Doch da diese Rechte und Freiheiten nicht geschrieben waren, sondern nur auf Sagen und Herkommen beruhten , entstanden bald wieder um so mehr Missverständnisse zwischen der Abtei und der Stadt, als bei den Herren das Bestreben immerfort um so mehr thätig war, ihre Macht möglichst zu erweitern, je mehr bei den Bauern und Bürgern, besonders durch die Appenzeller Kriege begünstigt, die Widersetzlichkeit zunahm. Jndem die Bürgerschaft 1405 von Graf Eberhard von Nellenburg, durch Vermittelung des Junkers Johann Ruhe zu Constanz, die an Martin Malterer versetzte Steuer auslösete , wurde eine Ursache der Unzufriedenheit auf immer gehoben. Ein Vergleich von 1449 setzte anderes fest, was eben so lange zwischen den Beamten der Abtei und der Stadt streitig gewesen war, und bestimmte: Die Bürger mögen, je nach Gefallen, des Jahrs ein oder zwei Male ihren Bürgermeister und Rath wählen; diese aber sollen schwören, keine der Abtei gefährliche Neuerung einzuführen; wer gegen den andern das Messer feindlich zuckt, zahlt dem Abte zehen Schillinge Busse; von kleineren Bussen erhält die Stadt den dritten Theil; sie bezieht einstweilen, und zwar so lange das Umgeld vom Weine, als andere Angehörige des Abtes auch vom Weingeld frei sind. Als die Eidgenossen den Thurgau eroberten (1460) und ihren Befehlen durch die Kraft ihrer Waffen Nachdruck gaben, machte Steckborn von ihrer Hülfe gegen die Juden Gebrauch, die sich zahlreich in die Stadt eingedrungen hatten, und sie durch Wucher belästigten. Der Jud Salomon, welcher die Bürgerschaft vor dem Hofgerichte zu Rothweil verklagt hatte, dass sie ihn hindere, die ihm heimgefallenen Güter des Junkers Conrad Ruh, besonders den Thurmhof, in Besitz zu nehmen, wurde abgewiesen, die andern Juden wurden aus dem Lande verjagt. Über die Abtei Reichenau herrschten damals so schwache und nachlässige Aebte, dass sie weder an Abschaffung der in ihren Besitzungen herrschenden Missbräuche dachten, noch Gefahr vermuteten, wenn die Eidgenossen Rechte ausübten, die ihnen selbst zu lästig schienen. Obgleich daher die Abtei Reichenau an ihre Thurgauischen Angehörigen die nämlichen Ansprüche machen konnte, wie der Bischof von Constanz und der St. Gallische Abt, so wurde sie doch denselben von den Eidgenossen nicht gleich gestellt, sondern auf die Rechte gewöhnlicher Gerichtherren und Edelleute beschränkt, so dass sie von ihren Unterthanen weder Beistand in Kriegsgefahren fordern, noch das Appellationsrecht über die Urtheile der niederen Gerichte ausüben durfte (1509.1519.) Die im Thurgau regierenden Stände der Eidgenossenschaft glaubten sogar wegen der im Thurgau liegenden vielen Besitzungen des Klosters, das Recht zuhaben, fordern zu dürfen, dass die ausserhalb ihres Gebietes befindliche Abtei bei ihren herkömmlichen Einrichtungen bleibe. Als daher der Bischof von Constanz die Abtei Reichenau mit seinem Bisthume vereinigen wollte, widersetzten sich die Eidgenossen im Namen der Stadt Steckborn und den Gemeinden Bernang und Ermatingen einer solchen, wie sie glaubten, gefährlichen Verbindung (1506); und später gaben sie dieselbe nur unter der Bedingung zu, dass auf der Jnsel keine Festungswerke angelegt würden (1540). Wie überall im Thurgau, so bewirkte auch in Steckborn die Reformation bürgerliche als kirchliche Veränderungen. Der Reichenauische Abt Marcus klagte 1524 bei den Eidgenossen über den Ungehorsam der Stadt Steckborn, welche sich weigere, der Abtei zwei Drittheile vom Einzugsgelde neuer Bürger zu überlassen, dem Reichenauischen Ammann den Beisitz im Rathe zu gestatten , die Fastnachtshühner zu bezahlen u.s.w. Die Bürger erwiderten, sie hätten das Einzugsgeld, der Abtei ohne Nachtheil , etwas gesteigert, damit die Schwaben sich weniger in ihr Bürgerrecht eindrängen; den Rathssitzungen habe der Ammann nie beigewohnt; Fastnachtshühner wollen sie zahlen und die Tagwen leisten, aber der Abt solle sie nicht, dem Herkommen zuwider, durch Bussengebote, statt Rechtsgebote dazu mahnen und die armen Leute so unbillig bedrängen. Die Eidgenossen wiesen diesen Streit zur Ausgleichung an den Landvogt; der Landvogt aber, durch den Fortgang der Reformation bedrängt, nahm das Geschäft nie vor.Jm Jahre 1527 war Steckborn unter denjenigen Thurgauischen Gemeinden, welche wegen ihres besondern gewaltthätigen Eifers für die Reformation, von den Gesandten der katholischen Orte besucht und zurecht gewiesen werden sollten. Aus Furcht vor dem Englischen Schweisse, einer pestartigen Krankheit, welche damals in Steckborn grosse Verheerungen drohte, unterliessen die Gesandten, dahin zu reisen; dagegen beriefen sie die Vorsteher der Bürgerschaft nach Tobel, und schärften denselben, unter Bitten und Drohungen, die Pflicht ein, bei dem alten, herkömmlichen Kirchenglauben zu verharren. Dessen ungeachtet bat Steckborn schon im Weinmonat 1528 die Zürcherische Regierung um Schutz bei dem Evangelium, und um die Sendung eines evangelischen Predigers.Die Kirchenzierden wurden abgeschafft. Von den vier Cappellanen, die neben dem Pfarrherrn an der Kirche angestellt waren, übernahmen die einen den Schulunterricht, andere wurden entlassen, und ihre Einkünfte wurden zum Theil zur Verbesserung der Pfarrpfründe, zum Theil zur Armenbesorgung verwendet, zum Theil endlich, wie es in solchen unruhigen Zeiten zu geschehen pflegt, unnützer Weise verschleudert. – Nach dem Religionskrieg von 1531 wurden diese Einrichtungen wieder abgeändert: denn im Jahre 1534 liess der Reichenauische Abt, um weniger Katholiken willen, wieder einen Altar in den Chor stellen, und dem von ihm eingesetzten Priester wurde die Hälfte des Pfarreinkommens nebst dem Ertrage einer Cappellanei zugetheilt. Eine andere Capellanei blieb mit der evangelischen Pfarrpfründe vereinigt, und zwei Capellaneien blieben Eigenthum der Schulund Armenanstalten (1534). Die Eifersucht, welche seit dem Schwabenkriege zwischen den Eidgenossen und den Schwaben bestand, erstreckte ihren Einfluss auch auf Steckborn, und wirkte hier um so stärker, da die Bürgerschaft dem Evangelischen Glaubensbekenntnisseso sehr zugethan war, dass sie sogar einige, ihres Glaubens wegen vertriebene Bürger von Rothweil, besonders den eifrigen Pfarrer Stückli aufnahm. Dies wollten ihr weder ihre Nachbarn jenseits des Sees, noch die Abtei Reichenau verzeihen. Die Jünglinge von Hemmenhofen und Geienhofen konnten im Winter 1548, als sie auf dem Eise sich belustigten, ihre Abneigung gegen die Schweizer nicht unterdrücken, trommelten nach der Weise der Landsknechte, muheten, wie Kühe, und trieben, den Eidgenossen zum Spotte, noch andern Muthwillen. Dies mochten die Jünglinge von Steckborn nicht gelassen ertragen, hiessen jene schweigen, und als man ihres Mahnens nicht achtete, legten sie eine Diele über die Eisspalte , die zwischen ihnen lag, und lockten die Gegner zum Kampfe heraus. Als diese unvorsichtig auf sie einfielen und die Weichenden über die Diele hinüber verfolgten , wurden sie, ungeachtet ihre Zahl überwiegend, etwa dreissig, war, so übel behandelt, dass mehrere schwer verletzt nach Hause gebracht wurden. Dieser Vorfall machte um so mehr Aufsehen, da in demselben Jahre Constanz durch die Österreicher erobert wurde, und selbst die Eidgenossen sich vor diesen nicht ganz sicher glaubten, blieb indessen ohne weitere Folgen. Mit mehr Erfolg wusste die Abtei Reichenau ihren Unwillen über störrische Bürger zu zeigen. Sie masste sich 1576 das recht an, dem von ihr gewählten Gerichtschreiber auch die Stadtschreiberstelle, welche sonst einzig von der Wahl der Bürger abhing, zu verleihen; das Dorf Bernang, welches sonst mit Steckborn gemeinsame Gerichte hatte, wurde 1578 von Steckborn getrennt und erhielt ein eigenes Gericht; und der Reichenauische Ammann versuchte so viele der Stadt schädliche Neuerungen einzuführen, dass die Eidgenössischen Regierungen selbst in das Mittel zu treten genöthigt waren(1595).Als aber die Abtei der Stadt sogar die Einsicht in die kaiserliche Marktbewilligung verweigerte, wandte sich die Bürgerschaft 1588 und 1593 wiederum an die Eidgenössischen Stände und erwarb bei denselben nicht nur die Bestätigung des Wochenmarktes, sondern auch die Erlaubnis, zwei Jahrmärkte abzuhalten, und alle dazu gehörigen Zölle und Gefälle zu beziehen. Der Bürgermeister Hausmann, der 1661 eine Chronik der Stadt Steckborn zusammen trug, und überhaupt mit grosser Umsicht und Gewandtheit die Vortheile seiner Mitbürger beförderte , bemerkt hierauf:“ Seit dieser Zeit hat sich wenig Streit mehr erhoben, weil unsere lieben Vordern unterweilen zugesehen, und das eine und andere fallen lassen, zun Zeiten lieber von Trinken und Zechen, als andere Sachen* zu bereden die Zeit zugebracht; da man dann alles auf dem Haufen liegenlassen, die Ringmauern einfallen, die Thürme abgedeckt, Häuser und was der gemeinen Stadt zuständig gewesen, zu Grund gehen lassen, also dass Steckborn mehr einem Dorfe, so voller Kotlachen und Misthaufen gewesen, als einer Stadt gleich gesehen. – Sobald aber mein Vater 1639 Bürgermeister worden, hat er angefangen zu reformiren, nach und nach das unmässige und kostbare Zehren aus dem Stadtsäckel abgeschafft, und die Steuern, die so viele Jahre lang nicht mehr gebraucht worden waren, wieder aufgerichtet, die Zölle, die seit fünfzig bis hundert Jahren liegen geblieben, wieder in Ordnung gebracht, die Wochenund Jahrmärkte wieder ausgekündet, den adelichen Freisitz im Thurm wieder an die Stadt gekauft und in wenigen Jahren das schöne Kaufund Zeughaus darin gebaut, die Stadtmauern, die meist zusammen gestürzt waren, besonders gegen den See wieder ausgebessert, die Gassen besetzen lassen, eine strengere Wachsamkeit gegen Frevel eingeführt, mit einem Kostenaufwände von mehr als 3000 Gulden die Kirche wieder ausgebessert u.s.w. So löblich auch diese Abänderungen und Verbesserungen waren, so waren gleichwohl einzelne Bürger, welche dadurch lang angemasste Vortheile verloren, nicht zufrieden. Jhren Klagen und Aufreitzungen schrieb man es zu, dass die Abtei Reichenau an die Bürgerschaft Forderungen zu machen anfing, welche diese weder als rechtlich anerkennen konnte, noch ohne Nachtheil eingehen durfte. Die Abtei drang nämlich 1652 auf drei Dinge: dass alle Käufe vor dem Gerichte gefertigt, von dem Sitzgelde der Ansässen und von dem Einzugsgelde neuer Bürger die Hälfte an die Oberamtei zu Reichenau abgegeben, und der todfall sowohl von Männernals Weibern bezahlt werden soll. Nach zehn Jahren aber waren diese drei Klagepuncte zu zwanzig angewachsen, und die Bürger setzten denselben sechszehn Gegenklagen an die Seite. Der Thurgauische Landvogt Am Rhyn, wurde als Richter von der Abtei angerufen, und er entschied die Angelegenheit so, dass der Bürgermeister mit Seufzen die bemerkung machte:“ Wo Herren Gnad und Gunst nit will, da hilft Recht, witz und Kunst nit vil“. Auf der andern Seite jedoch umging die Klugheit des Stadtrathes die List der Reichenauischen Beamten. Der Altar, den der Abt nach der Reformation in das Chor der Kirche hatte stellen lassen, war ganz klein und mit Flügelthüren versehen, welche bei der Feier des Evangelischen Gottesdienstes geschlossen waren. Jm Jahre 1642 wurde statt desselben ein grösserer Altar gebaut, der nicht verschlossen werden konnte. Daran nahmen die Evangelischen Anstoss. Sie forderten, dass die frühere Einrichtung hergestellt, oder das ganze Chor verschlossen werde. Dies aber wollte der Bischof und die Abtei auch nicht leiden; sie meinten, die Bilder der Heiligen seyen immerhin so ehrwürdig, dass die Evangelischen sie ansehen dürfen. Der Streit wurde um so heftiger, je mehr man die Religion gefährdet glaubte. Zürich vermittelte endlich, dass ein Vorhang gemacht werde, den die Evangelischen bei der Feier ihres Gottesdienstes vor das Chor ziehen könnten. Nur ungerne , und, wie es heisst , mit dem stillen Vorbehalte, willigte die Abtei dazu ein, dass, wenn dieser Vorhang zerrissen sey, kein neuer gemacht werden solle. Seither wurde kein neuer Vorhang gemacht, wohl aber der alte so ausgebessert, dass neue Stücke in denselben eingesetzt und allmälig, je nach Bedürfnis, der ganze Vorhang erneuert wurde. Während diese Streitigkeiten mit der Abtei der Bürgerschaft viele Rechte und Einkünfte entzogen, fand sie auf einer andern Seite Gelegenheit, die Kraft und Würde ihres Stadtrechtes zu behaupten. Sie gab sich nicht nur viele Mühe für die Bewaffnung, baute nicht nur ein Zeughaus, sondern machte auch die Verordnung, dass jeder Bürger, der zu einer Ehrenstelle gelange, das Zeughaus mit Waffen oder Schiessbedarf, der Bürgermeister z.B. mit einer Muskete und acht Pfund Schiesspulver, ein Corporal mit anderthalb Pfund Schiesspulver u.s.w. beschenken soll. Die Waffenübungen wurden mit solchem Eifer betrieben, dass die Bürger glaubten, es wäre Entehrung für sie, wenn sie mit den ungeübten Landleuten unter dem Ermatingerschen Quartierhauptmann sich würden einreihen lassen, und der Landvogt Arnold von Spiringen aus Unterwalden anerkannte 1642 ihre ausgezeichnete Waffenfertigkeit so, dass er bei den Eidgenössischen Ständen die Erlaubnis auswirkte, dass die Mannschaft von Steckborn neben derjenigen von Frauenfeld in Kriegszeiten die Leibwache des Landvogtes bilden solle. Als die Bürgerschaft von Steckborn im bauernkriege 1653 den Eidgenössischen Stäten vierzig durch Bewaffnung und Haltung ausgezeichnete Männer zu Hülfe sandte, fühlten die Eidgenossen, wie vorteilhaft ihnen der diensteifer und die Treue ihrer Untergebenen seyn könnte; gleichwohl forderte der Landvogt für die Ernennung eines Stadthauptmanns zu Steckborn 100 Thaler von dem Gewählten, und es bedurfte langer Unterhandlungen, bis endlich als Taxe für das HauptmannschaftsPatent eine Summe von 18 Kronen festgesetzt wurde (1662). Was auf alle Weise hätte aufgemuntert werden sollen, wurde besteuert !! – Da Steckborn bei der Ausscheidung aus dem Quartiere Ermatingen sich verpflichtet hatte, den dritten Theil der allgemeinen Kriegssteuer, die das Quartier zu bezahlen hätte, zu tragen, und sich anderer Quartierkosten nichts annehmen wollte, gab auch dies zu vielen Reibungen und Streitigkeiten Anlass. Es fehlte selbst nicht an Spöttereien über die eingebildeten Städter. Allein diese meinten, wenn sie auch nur eine kleine Stufe über die Leibeigenschaft der übrigen Thurgauer erhoben seyen, so sey dies für sie ehrenvoll, und setzten das Bestreben, ihr kleines Gemeinwesen möglichst gut einzurichten, muthig fort. Jm Jahre 1726 wurde eine Lateinschule gestiftet, 1757 durch den Ämterbrief den Streitigkeiten mit der Abtei ein Ziel gesetzt; 1766 wurde die Erbauung des Langhauses der Kirche bewerkstelligt. Jm Anfang des vorigen Jahrhunderts zeichneten sich in Steckborn einige Bürger durch sehr gute Töpferarbeiten, besonders durch Verfertigung sehr beliebter Öfen aus. An den Ufern des obern und untern Bodensee`s, bis tief in das Land hinein, findet man jetzt noch Öfen, die um 1720, 1740 und den folgenden Jahrzehenten in Steckborn verfertigt worden sind. Der g Geschmack brachte es mit sich, dass die Öfen mit allerlei Zeichnungen verziert wurden, und es lässt sich nicht läugnen, dass manche, besonders landschaftliche Darstellungen, recht artig sind. Aus einer solchen Töpferwerkstätte ging der Maler Düringer hervor. Jm Jahre 1720 den 21. mai geboren, reisete er, zwanzig Jahre alt, auf seinem Handwerke nach Zürich, mit der Absicht, sich besonders im Zeichnen zu vervollkommnen. Die ausgezeichneten Anlagen des Jünglings blieben den Kunstfreunden nicht lange verborgen; sie ermunterten, belehrten, unterstützten ihn. Auch in Bern fand er viele Gönner. Auf solche Weise bildete er sich in der Malerei so aus, dass er es in der Darstellung von Porträten und Landschaften, besonders aber in der Tiermalerei zu einer bedeutenden Fertigkeit brachte. Mehrere seiner gelungenen Arbeiten sind noch im Besitze seiner Erben; andere finden sich im Schlosse Klingenberg, in Herdern u.s.w. Da er neben seiner Kunst viele Gewandtheit hatte und mancherlei Kenntnisse besass, wurde er durch die Abtei zum Stadtammann ernannt, und er war es, dem die Bürgerschaft es verdankte, dass manches Zerwürfnis mit der Abtei schon im ersten Keime erstickt wurde. Er starb nach einem thätigen, verdienstvollen Leben im Jahre 1786. An der Schweizerischen Staatsumwälzung nahm Steckborn um so lieber Antheil, da die Aussicht, von Reichenau ganz unabhängig zu werden, sehr lockend war. Sie kostete aber der Bürgerschaft auch grosse Opfer. Vom Jahre 1798 bis 1801 beherbergte sie allein 4950 Offiziere und 175`397 Gemeine, die, nach ungefährer Berechnung einen Aufwand von 95`123 Gulden erforderten. Die Zerstörung des Brückenkopf im Scharen kostete die Gemeinde 2057 Gulden; an Lebensmitteln lieferte sie für 41`529 Gulden. Die ganze Summe steigt auf 138`710 Gulden. Einige Bürger von Steckborn haben seit dieser Zeit sowohl dem ganzen Canton, als ihrer Vaterstadt durch ihre Theilnahme an den Angelegenheiten des Landes verdankenswerthe Dienste geleistet; Labhart als Mitglied der Helvetischen Regierung; Hanhart als Regierungsrath und Landesstatthalter; Gräflein, als Präsident und Oberamtmann des Bezirks, und andere noch lebende, deren gemeinnützige Thätigkeit immer noch ein offenes Feld für die Anwendung ihrer Kräfte finden wird. Bey der Eintheilung des Thurgaus wurde Steckborn Hauptort des Bezirks und des Kreises Steckborn. Der Kreis Steckborn umfasst die Gemeinden Steckborn und Homburg. Die MunicipalGemeinde Steckborn aber dehnt sich über die Ortsgemeinden Steckborn, Mammern, Gündelhart mit Hörhausen, Salen mit Reutenen aus. Zur Ortsgemeinde Steckborn wird, neben der Stadt, noch Dorf, Weier, Feldbach, Thurgi und Wolfkehlen gezählt. Neben diesen gehören zur Kirchgemeinde von Alters her: Salen, Reutenen, Mauren, Götschenhäusli, Rennenthal, Heidenhaus, Glarisegg, sassenloh, Weilen. Die Kirchgemeinde hat 1637 evangelische und 318 katholische Einwohner. Von den letztern sind indessen 48 abwesend. Gegenwärtig zählt die Stadtgemeinde innerhalb ihrer Mauern 126, ausserhalb derselben 122 Häuser. Von 268 stimmfähigen Bürgern sind 262 dem evangelischen, 6 dem katholischen Glaubensbekentnisse zugethan. Zu jenen gehören die Geschlechtsnamen Baldin, Basler, Baur,Düringer, Frick, Füllemann, Götsch, Graf, Gräflein, Gull, Hanhart, hausmann, Hertenstein, Herzog, Horber, Kauf, labhart, Meininger, Mein, Merk, Schiegg, Schneider, Schwäder, Sigwart, Teucher, Ulmer, Wüger, Weber, Wilhelm; zu den katholischen die Geschlechtsnamen Hanhart, Schiegg, Teucher.Steckborn mit Tägermoos, Salen, Höfli, Mauren, Götschenhäusle, Oeweilen, Sassenloh, Reutenen besitzt an Waldung ungefähr 840 Jucharte. Sie besteht meistens aus Nadelholz, ist in gutem Zustande und liefert, neben Bauholz und Brennholz, vorzüglich auch den bedeutenden Bedarf an Weinpfählen. Doch auch Eichenholz zum Schiffbau und für die Böttcherei wird daraus gezogen. An Brennholz wird immer noch viel durch den Torferspart, welchen der alte Schulmeister Hanhart bei Wangen, jenseits des Sees, entdeckte und der Stadt zueignete. Das Ackerfeld, wenn die Liegenschaften obiger Höfe mitgerechnet werden, wird auf 567, der Wiesengrund auf 752 und das Rebgelände auf 400 Jucharte geschätzt. Die Waldung des Klosters besteht in 335, das Ackerfeld, mit Jnbegriff der Lehenhöfe, in 223, und der Heuwachs in 101 Jucharten. Der Viestand in Steckborn, Feldbach und den dazu gehörigen Ortschaften und Höfen beläuft sich auf 156 Kühe, 12 Pferde, 12 Schweine; Schafe und Schmalvieh werden beinahe gar nicht gehalten; hingegen werden im Sommer Schwäbische Schafe zum Schlachten angekauft, und alle Jahre ungefär 400 Ochsen gemästet. Aus der Viehmästung zieht überhaupt der Landund Weinbauer, so lange die Preise des Weins und Getreides so niedrig stehen, den bedeutendsten Gewinn. Seit die Ausfuhr des Weins nach Schwaben gehemmt ist, findet der Steckbornsche Wein wenig Absatz mehr indem er, seiner Säure wegen, neben den bessern Landweinen sich nicht geltend machen kann. Schon 1585 war der Steckbornsche Wein, zu Stein aus dem Weinhandel ausgeschlossen, weil ihm alle die Eigenschaften mangelten, durch welche die Stadt Stein ihrem Weinhandel Zutrauen zu verschaffen hoffte. Neben der etwas ungünstigen mitternächtlichen Lage der meisten Weingärten liegt die Ursache dieser Beschaffenheit des Steckbornschen Weines vorzüglich in dem Umstande, dass man früher beinahe nur die ergiebigsten, aber auch schlechtesten, meistens weisse Arten, pflanzte, die Weinstöcke enge setzte, stark düngte, und grosse Ranken und Bogen zog. Wenn diese fehlerhafte Behandlung, nach dem Beispiele einiger verständiger Männer, abgeändert wird; wenn man die schlechten, weissen Reben mit bessern rothen Arten vertauscht, die Weinstöcke weiter aus einander reihet, die Ranken knapper zuschneidet, überhaupt mehr auf die Güte, als auf die Menge des Weines sieht, lässt sich erwarten, dass der Steckbornsche Wein bald wieder mehr freunde finde. Jn einigen sonnenreichen, sandigen, mit guten Arten bepflanzten Weingärten wachsen ja ohnedies schon Weine, die sich durch Wohlgeschmack und Geist vortheilhaft vor ihren Nachbarn auszeichnen, und zum Beweise dienen, dass eine angemessenere, bessere Behandlungsweise des Weinstocks auch besseren Wein hervorbringen werde. Die 154 Handwerker, welche sich in Steckborn niedergelassen haben, beschäftigen sich neben ihrem Handwerke gewöhnlich noch mit dem Weinbau. Die Gerberei wird indessen ziemlich stark betrieben. Das Spitzenklöppeln, von einer noch nicht lange verstorbenen Bürgerinn eingeführt, verschafft dem weiblichen Geschlechte, besonders im Winter, einigen Erwerb. Eine seit 1815 bestehende Tuchfabrik liefert eine Waare, die unter den Erzeugnissen des enheimischen Kunstfleisses eine ehrenvolle Stelle einnimmt. Wenn das Unternehmen eine solche Ausdehnung erhalten würde, dass, wie an innerer Güte, so auch an Menge und Zahl die Waare sich geltend machen und die Bedürfnisse der Kaufleute oder Regierungen befriedigen könnte; so würde es ohne Zweifel gerade dadurch feste Haltung bekommen.Die Töpferei hat sich seit einigen Jahren wieder etwas gehoben. Wenn die Naturkunde mit einem gebildeten Schönheitssinne sich zur Vervollkommnung dieses Gewerbes vereinigen würde, könnte dadurch ein grosser Vortheil gewonnen werden , besonders an einem Orte, welcher dafür eine so vortheilhafte Lage hat, wie Steckborn. – Auch dazu aber, wie überhaupt zur Verbesserung und Vervollkommnung aller Gewerbe wird eine bessere Vorbereitung der Handwerkslehrlinge in den Schulen erfordert. Am Lesen, Schreiben und Rechnen ist`s nicht genug; es genügt auch nicht, dass der Lehrling die Handgriffe seines Meisters gewissenhaft sich einübe: der Handwerker muss in den Stand gesetzt werden, die Erfindungen, die überall gemacht werden, sich aneignen, oder selbst Neues erfinden und die immer steigenden Forderungen des Geschmacks, ohne Steigerung der Preise, befriedigen zu können; sonst bleibt er immer mehr zurück, wird er immer mehr vernachlässigt. Das Bedürfnis eines verbesserten Schulunterrichtes spricht sich überall immer lauter aus; auch Steckborn fühlt, dass die drei Stadtschulen, von denen zwei den Evangelischen zugehören, dem Wunsche nicht ganz entsprechen, und in ihrer herkömmlichen Einrichtung das nicht leisten können, was sie sollten. Möge es den wohlmeinenden Bemühungen so vieler edler Männer, die sich in allen Gemeinden und in den obern Behörden unsers Cantons der Verbesserung des Volksunterrichtes annehmen und für diese wichtige Angelegenheit des Vaterlandes und der Menschheit Sinn haben, gelingen, ihre Arbeit mit dem schönsten Erfolge gekrönt zu sehen. Mögen besonders auch die Schulen der Stadtgemeinde Steckborn der muntern lebenskräftigen Jugend daselbst diejenige Vorbereitung für das Leben gewähren, dass sie einst als verständige, gemeinnützige, arbeitsame und sittlich gute Bürger und fromme Christen, die Freude betagter Aeltern, die Stütze und Zierde des eidgenössischen Vaterlandes seyn und heissen mögen. Gute Schuleinrichtungen sind für eine Stadt eine schönere Zierde, als alle Mauern und Thore, und eine ergiebigere Quelle des Reichthums, als die grössten Gemeindegüter. Auf einen kleinen Kreis war die Thätigkeit der Bürger Steckborns in früheren Zeiten eingeschränkt; den an fremden Orten war meistens Unsicherheit, Leibeigenschaft zu fürchten; am meisten Schutz und Ruhe, auch ehrlichen Erwerb und in der Noth Hülfe, fand jeder bei Hause, unter Verwandten und Mitbürgern; darum suchte auch jeder vorzüglich seinen Geburtsort zu Ehren zu bringen; die Bannmeile seiner Stadt war ihm sein ganzes Vaterland, weil das land, welches ihm Vaterland hätte heissen sollen, nicht frei war. Wenig bedurfte der Handwerker, der Weinbauer, der Ackerbauer; denn die Lebensart war einfach, die Kleidung unscheinbar, aber dauerhaft. Anders sind die Anforderungen der jetzigen Zeit. Die Bedürfnisse haben sich in`s Unendliche vermehrt; man sucht Reichthum, Glanz, Ueberfluss, Bequemlichkeit, geschmackvolle Arbeit und Wohnung. Sich dies zu verschaffen, steht jetzt aber auch die ganze Welt offen. Ueberall findet der tüchtige Mann Arbeit, Lohn und Gewinn. Aber auch die Kenntnisse und Künste haben sich so vervollkommnet, dass wer vor hundert Jahren ein Meister hiess jetzt als Stümper erscheinen würde. Um also glückliches Fortkommen zu finden, muss der Handwerker und Künstler viel mehr lernen und wissen, als früher; selbst der Ackerund Weinbauer darf bei dem Herkömmlichen nicht stehen bleiben; er muss alle Vortheile der Landwirtschaft aufsuchen, wenn er Gewinn haben will. Eben darum aber sind Schulverbesserungen so hoch nothwendig, nicht bloss für den Geistlichen, Arzt, Rechtsgelehrten, sondern auch für den gemeinen Mann; und nicht bloss rücksichtlich des Sprachunterrichts, sondern vorzüglich in der Naturkunde, Zeichnungskunst, Mechanik und in andern Fächern, in welchen allen, von andern benachbarten Völkern, weit mehr, als von uns geleistet wird. Darin lasst uns nicht zurück bleiben ! Neben der Erwerbung der Berufstüchtigkeit bleibe aber auch Vaterlandsliebe, Gewissenhaftigkeit und einfache Sitte herrschend. Nicht mehr das Machtgebot eines Abts oder Landvogts oder Zwingherrn lastet auf uns, wir sind frei im Glauben und im Staatswesen. Was mag uns da besser schmücken, als die Einfachheit, Treue und Redlichkeit der Väter ? Wohlan ihr Knaben und Mädchen, ihr Jünglinge und Töchter, für die diese Blätter zunächst geschrieben sind, eignet Euch diese Vorzüge zu. Sorget dafür, dass unser so schönes Vaterland durch die Tugenden seiner Bürger und Bürgerinnen noch schöner werde. Gehorsam gegen die Aelteren und Lehrer, Lernbegierde und eifrige Thätigkeit bei allen Geschäften der Schule , des Hauses, des Ackers und Weinbergs, Liebe zu Gott und zu den Menschen, sind Mittel, durch welche dieses hohe Ziel erreicht werden mag !