LABHART Jakob 1881 - 1949
Geb. 28.1.1881 Steckborn, gestorben 6.8.1949 Sigriswil, ref., von Steckborn. Sohn des Jacob Hermann, Arztes und Landwirts, und der Lisette geb. Bauer. ∞ Anna Maria Wecker, Tochter des August. Techn. Hochschulen in Charlottenburg und München. 1905-16 Instruktionsoffizier der Artillerie, 1907-08 Ausbildung im preuss. Landartillerieregiment in Altona, 1916 Generalstabsoffizier. 1916-21 Chef des Lohnbüros bei Bally, 1921-24 Vizedirektor des Eidg. Arbeitsamts. 1923-24 Kommandant eines Artillerieregiments, 1930 Oberst, 1930-31 Kommandant der Artilleriebrigade 4, 1932 Stabschef des 2. Armeekorps, 1932-34 Kommandant der Infanteriebrigade 13. Als Chef der Sektion Transport im Generalstab (1925-34) stand er dem Eisenbahn-, Etappen- und Motorfahrzeugdienst vor. Die Motorisierung gemäss der Truppenorganisation 1924 war sein Werk. Als Divisionär und Waffenchef der Kavallerie (1935-36) bereitete er die Verschmelzung der bewegl. Truppen (Dragoner, Radfahrer und Motorfahrer) zur Waffengattung der Leichten Truppen vor. Im Mai 1936 wurde er Stellvertreter des Generalstabschefs, im August Generalstabschef und Korpskommandant mit Divisionär Jakob Huber als Stellvertreter. 1939 wurde Labhart zum Chef des Armeestabs (des Generalstabs im Aktivdienst) ernannt.
In dieser Funktion arbeitete er das Neutralitätsdispositiv aus, das die Armee im September übernahm. Der Entscheid Guisans, der Verteidigung gegen eine deutsche Invasion Vorrang zu geben, führte zu Spannungen zwischen dem General und Labhart. Dieser wurde nicht über französisch -schweizerische Generalstabsgespräche informiert, die von Vertretern des obersten Befehlshabers geführt wurden. Anfang Jan. 1940 ernannte ihn Guisan zum Kommandanten des neuen 4. Armeekorps (eine Funktion, die er bis 1947 bekleidete), und als seinen Nachfolger im Armeestab bestimmte er Divisionär Huber. Labhart behielt trotzdem offiziell seine Funktion als Generalstabschef bei. Labhart - ein Jünger General Willes - war ein begabter Taktiker und ein Mensch von entschlossener Wesensart; zum Nachteil gereichten ihm jedoch seine mangelnde Kontaktfähigkeit und die Bewunderung für die deutsche Wehrmacht.
Schutz der Bündner Alpenpässe durch Verteidigungsanlagen
Gedenkrede
für
Oberstkorpskommandant Jakob LABHART
gehalten an 15.Januar 1950 vor den Offizieren des
ehemaligen Stabes des 4. AK. im Rathaus zu Schwyz
von
Oberst i.Gst. C. W e b e r
Wenn wir uns heute im historischen Ratssaal zu dieser Gedenkfeier zusammen finden, so geschieht dies, um unseren verstorbenen Kommandanten zu ehren, ihm unsere Dankbarkeit zu bezeugen und um uns nochmals kurz das Lebensbild dieses grossen Soldaten in Erinnerung zu rufen. Wenn wir das tun, beschleicht uns Wehmut, und es streifen Erinnerungen an die Aktivdienstzeit in Stabe des 4. AK. in uns auf.
Eine markante Persönlichkeit und Soldatengestalt ist unserem Gesichtskreis entschwunden. Die Nachricht von seinem plötzlich Hinschied hat sicher jeden von uns aufs tiefste getroffen. Wir konnten es kaum fassen, dass Oberstkorpskomandant Labhart nicht mehr unter den Lebenden weilen sollte. Heute werden wir uns dieses schmerzlichen Verlustes erneut bewusst.
Als er noch vor einem Jahr an unserer Zusammenkunft erschien, war er bei bester Gesundheit, und nichts deutete darauf hin, dass sein Ende so nahe bevorstand. Auch die am Vorabend seines Todes bei ihm weilenden Freunde konnten nicht die geringsten Anzeichen von Störungen irgendwelcher Art bemerken. Umso grösser war überall die Bestürzung, als am ändern Tage, am 6. August, bekannt wurde, ein Herzschlag habe diesem wohlausgefüllten Soldatenleben ein jähes Ende gesetzt.
Eine grosse Zahl von Offizieren aus der ganzen Schweiz, darunter viele Angehörige des Korpsstabes, fast alle Heereseinheitskommandanten und sozusagen die ganze Dorfbevölkerung erwiesen dem Verstorbenen die letzte Ehre.
Minister Dr.Feisst sprach am Grabe als persönlicher Freund, und an der anschliessenden Trauerfeier in der Kirche schilderte der erste Stabschef Labharts und heutige Vorsteher des eidg.Militärdepartementes, Bundesrat Dr. Kobelt, in einem trefflichen Nachruf dessen grosse und unvergängliche Verdienste als militärischer Erzieher, Organisator und Truppenführer. Wenn ihn der bundesrätliche Sprecher als grossen Eidgenossen bezeichnete und ihm im Namen des Schweizervolkes den Dank abstattete, so hatte er damit uns allen aus dem Herzen gesprochen. Alle Teilnehmer waren von dieser eindrucksvollen Trauerfeier tief ergriffen.
1925-1935 Sektionschef der Generalstabsabteilung
Oberstkorpskommandant Labhart gehörte zweifellos zu denjenigen hervorstechenden Persönlichkeiten, wie sie unserer Armee glücklicherweise immer wieder geschenkt werden, die dank ihrer Intelligenz, ihres Weitblickes, ihrer Willenskraft und Unerschrockenheit dazu berufen sind, an vorderster Stelle für unsere Landesverteidigung und Wehrbereitschaft zu wirken. Wenn er einmal gesagt hat, das Schweizervolk wisse gar nicht, eine wie gute Armee es besitze, so hat er selber auf allen Posten, die er innehatte, einen ganz wesentlichen Beitrag an die Ertüchtigung unserer Armee geleistet. Oberstkorpskommandant Labhart hat sozusagen sein ganzes Leben der Armee gewidmet; auch während der Jahre, da er seinen Instruktionsberuf bei der Artillerie verlassen und sich ziviler. Tätigkeiten zugewandt hatte, als Betriebsleiter eines grossen Industrieunternehmens und als Vizedirektor des eidg. Arbeitsamtes, ist er auf der militärischen Stufenleiter weiter emporgeschritten. Studienreisen in jüngeren Jahren in den nordischen Ländern, in Italien und Frankreich sowie eine einjährige militärische Abkommandierung zur deutschen Armee hatten seinen Gesichtskreis erweitert und sein Urteil über Menschen und Dings geschärft. Es war daher keine Ueberraschung, als ihn der damalige Generalstabschef, Oberstkorpskommandant Roost, im Sommer 1924 an die Generalstabsabteilung berief.
Als Chef der Sektion für Transportdienst konnte er sein in der Privatwirtschaft erprobtes Organisationstalent bereits zur Geltung bringen. Daneben fand Labhart Gelegenheit, seine Qualitäten. als Truppenführer und Generalstabsoffizier in verschiedenen Graden und Kommandos unter Beweis zu stellen. So kommandierte er als Oberstleutnant das damalige Schw.Art.Rgt.2, als Oberst.
1929 die Art.Br.4; dann war er anschliessend Stabschef des 2. AK., um alsdann mit dem Kommando der alten Zürcher Inf.Br.13 betraut zu werden, was als ein sicheres Zeichen dafür galt, dass der für dieses Kommando Auserwählte zu Höherem bestimmt war. In der Tat erfolgte auf Ende 1934 seine Beförderung zum Oberstdivisionär und seine Wahl zum Waffenchef der Kavallerie. Auch wenn er an diesen Posten nur anderthalb Jahre wirken konnte, so liess doch manches seine energische Hand erkennen.
Die entscheidende Lebensphase jedoch begann für ihn, als ihm im Mai 1936 zuerst stellvertretungsweise und ab Juli desselben Jahres nach dem Hinschied von Oberstkorpskommandant Roost, definitiv die Leitung der Generalstabsabteilung übertragen wurde.
Damit hatte er den höchsten Posten erreicht, den unsere Armee in Friedenszeiten zu vergeben hat.
Die Beförderung zum Oberstkorpskommandanten auf Ende 1936 bildete auch äusserlich die Krönung dieser markanten Soldatenlaufbahn.
Doch nicht trockene Daten, sondern nicht endende, fruchtbare Taten kennzeichnen das reiche Soldatenleben von Oberstkorpskommandant Labhart. Die Wahl zum Chef der Generalstabsabteilung fiel bereits in eine spannungsgeladene Zeit. Die Gefahren im Norden und Süden unseres Landes waren nicht mehr zu verkennen, auch wenn damals noch manche Leute nicht an einen Krieg glauben wollten. Für die Verstärkung der Bewaffnung und die Erstellung von Grenzbefestigungen waren bereits erhebliche Kredite bewilligt worden. Der gewaltige Erfolg der Wehranleihe, die kurz nach dem Amtsantritt Labharts im September 1936 aufgelegt wurde, war ein sprechendes Zeugnis dafür, dass auch das Schweizervolk den Ernst der Lage verstanden hatte. Die Hauptaufgabe des Chefs der Generalstabsabteilung lag darin, die Truppenordnung, für die im Sommer 1936 erst die allgemeinen Richtlinien festgelegt waren, so rasch als möglich durchzuführen. Diese ungeheure Arbeit ist ihm und seinen Mitarbeitern trotz mancherlei Schwierigkeiten in weit gehendem Masse gelungen. Wenn der Weltkrieg 1939 uns nicht unvorbereitet traf, die Armee materiell und organisatorisch einen hohen Stand erreicht hatte und die Mobilmachung reibungslos durchgeführt werden konnte, so war das ein Hauptverdienst des energischen und organisatorisch begabten Chefs der Generalstabsabteilung.
Als 1939 der Krieg ausbrach, galt es daher als Selbstverständlichkeit, dass ihm der Posten eines Generalstabschefs der Armee anvertraut wurde. Auf diesem Posten — so bedeutungsvoll er auch war — hat er sich aber aus verschiedenen Gründen nie glücklich gefühlt, und er entsprach zweifellos auch nicht voll seinen spezifischen Qualitäten. Es fehlte ihm der direkte Verkehr mit der Truppe, die Möglichkeit, sie ausbilden, formen und führen zu können. Diese Gelegenheit bot sich ihm, als er für das Kommando des neu aufgestellten 4..Ak. ausersehen wurde. Die meisten von uns werden sich noch an den Gründungstag vor zehn Jahren erinnern, als die imponierende Soldatengestalt mit den scharfblickenden und doch gütigen Augen erstmals im Schulhaussaal hier in Schwyz vor uns erschien und wenige, aber umso deutlichere Worte an uns richtete, die jeder verstand. Die Uebertragung dieses so wichtigen Kommandos an der am meisten gefährdeten Nordostecke unseres Landes, mit der grossen und weitgespannten Aufgabe, die Zugänge zum Gotthard zu sperren, war für Oberstkorpskommandant Labhart eine grosse Ehre und ein Beweis des Vertrauens, das man ihm an höchster Stelle entgegenbrachte.
Oberstkorpskommandant Labhart hat dieses Vertrauen voll und ganz gerechtfertigt. Wer das Glück hatte, in seinem Stabe arbeiten zu dürfen, konnte immer wieder feststellen, mit welcher Unermüdlichkeit er auf eine Verbesserung der Ausbildung der Truppe hinarbeitete und nicht ruhte, bis das erreicht war, was er als richtig und unerlässlich betrachtete. Allem unnützen Beiwerk abhold, entging seinem scharfen Auge nichts. Da konnte er denn hie und da recht deutlich werden, und wenn ein Truppenkommandant sich von ihm sagen lassen musste, dies und jenes habe nicht gestimmt, das nächste Mal wolle er das nicht mehr sehen, so wusste jener Kommandant, was es geschlagen hatte. Oberstkorpskommandant Labhart gehörte zu jenen Führernaturen, die ihre Untergebenen stets mit ihrem überlegenen Wissen und Können und mit der Kraft ihrer Führerpersönlichkeit mitzureissen verstanden haben.
Mit Hochachtung und Verehrung blickten wir im Stabe zu ihm auf. Es gab wohl kaum einen höheren Stab, der so deutlich den Stempel der Persönlichkeit seines Kommandanten trug, wie der Stab des 4. AK,
Damit war das feste Fundament für eine reibungslose Zusammenarbeit geschaffen, aus der sich eine unverbrüchliche Kameradschaft entwickelte. Das Vertrauen aller seiner Mitarbeiter zu diesem Truppenführer kannte sozusagen keine Grenzen. Wir bewunderten ihn, wie er die Dinge auf das Einfache und Wesentliche zurückzuführen, Wichtiges von Nebensächlichem zu trennen vermochte, Einfachheit und Klarheit in allen seinen Anordnungen waren hervorstechende Merkmale seiner Kommandotätigkeit. Das kam besonders auch in der Anlage und Durchführung von Manövern zum Ausdruck, womit ihn der General vorzugsweise betraute. Streng in den Anforderungen, gewährte er allen seinen Hitarbeitern im Stabe, sofern sie es mit ihrer Pflicht gewissenhaft nahmen, weitestgehende Freiheit in der Arbeit, Unnachsichtig aber griff er ein, wo sich Unfähigkeit oder gar Nachlässigkeit zeigte, Halbheiten duldete er nicht, so wenig wie er nach Popularität haschte. Im ausserdienstlichen Verkehr fühlten wir uns besonders von seiner Persönlichkeit angezogen.
Seine Liebenswürdigkeit und väterliche Fürsorge tat jedem von uns wohl. Im ausserdienstlichen Beisammensein überraschte er uns auch immer wieder durch seine ausserordentliche Belesenheit, sein reiches Wissen in politischen und wirtschaftlichen Dingen und seine kluge Beurteilung aller Vorgänge im Weltgeschehen.
1936-1945 Chef der Generalstabsabteilung
1939-1940 Chef des Generalstabes im Aktivdienst (Generalstabschef)
Zwei Jahre über das Kriegsende hinaus ist Oberstkorpskommandant Labhart noch auf seinem Posten als Kommandant des 4. AK verblieben. Als Mitglied der Landesverteidigungskommission hatte er dabei weiter Gelegenheit, ein entscheidendes Wort bei der Ueberführung des militärischen Apparates aus der Periode des Aktivdienstes in die Nachkriegszeit mitzureden. Während dieser Zeitperiode hat auch die Kritik vor seiner Person nicht Halt gemacht. Sie wurde veranlasst durch jene Stelle im Generalsbericht, die das Fehlen von ausgearbeiteten Operationsplänen als einen Mangel bezeichnete. Mit der Würde und Zurückhaltung, die seine Persönlichkeit charakterisierten, hat sich Oberstkorpskommandant Labhart jeder öffentlichen Auseinandersetzung femgehalten, obschon es ihm leicht gewesen wäre, die Dinge richtig zu stellen. Die Einführung der Truppenordnung, die Durchorganisation des Grenzschutzes und der Ausbau unserer Landesbefestigung waren damals sicher wichtiger als die Ausarbeitung einer Sammlung von Operationsplänen zuhanden eines künftigen Oberbefehlshabers. Es mochte den ehemaligen Chef der Generalstabsabteilung mit grösster Genugtuung erfüllen, als Bundesrat und eidgenössische Räte ihn anlässlich der Behandlung des Generalsberichtes in jeder Beziehung deckten.
So konnte denn Oberstkorpskorpskommandant Labhart im Sommer 1947 im Bewusstsein, der Armee und damit dem Lande sein Bestes gegeben zu haben, sein Kommando in andere Hände legen. In Merligen an Thunersee hatte er sich einen Landsitz erworben, wo er als Landedelmann im wahrsten Sinne des Wortes die letzten zwei Jahre seines Lebens verbrachte. Die schön gepflegte Parkanlage, die alle bewunderten, war sein eigenes Werk, das er mit Stolz seinen Freunden und Gästen zeigte. Immer aber verfolgte er mit offenen Augen und Ohren das weitere Weltgeschehen, und der Erhaltung unserer Wehrbereitschaft, der Armee, die er so unsäglich geliebt und für die er soviel getan hat, galt nach wie vor sein volles Interesse. Wie gerne hätten wir ihm ein längeres otium cum dignitate gewünscht. Wenn er uns leider allzufrüh entrissen worden ist, in unseren Herzen wird Oberstkorpskommandant Labhart weiterleben als der um Armee und Land hochverdiente Truppenführer und Soldatenerzieher, als der strenge, aber gerechte und wohlwollende Vorgesetzte und auch als der väterliche Freund.
Wir verneigen uns vor ihm und sprechen ihm, unserem Kommandanten, den tiefsten Dank aus.