Hermann Hesses Kachelofen lag im Plumpsklo
Überraschende Entdeckung: In der Senkgrube seines Hauses am baden- württembergischen Bodenseeufer in Gaienhofen sind jetzt die Überreste eines Steckborner- Kachelofens entdeckt worden.
Bisher war nicht bekannt, dass der stets einem einfachen Leben zugewandte Dichterfürst Hermann Hesse auch Sinn für einen gehobenen Wohnstil hatte. Die Kachelöfen aus Steckborn am Bodensee sind weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt und wurden vor allem für Schlösser, Klöster und Patrizierhäuser gebaut. „Einen solchen Ofen haben wir zuletzt in Hesses Wohnhaus vermutet“, sagt Eva Eberwein. Sie hat zusammen mit ihrem Mann vor drei Jahren das Hesse- Haus in Gaienhofen erworben und es zusammen mit dem Garten restaurieren und wieder in den ursprünglichen Zustand zurück versetzen lassen.
Der Nobelpreisträger für Literatur von 1946 ließ das einzige Haus, das er je in seinem Leben (1877 bis 1962) gebaut hatte, 1907 nach Plänen des Basler Architekten Hans Hindermann erstellen. Bewohnt hatte er es bis 1912, dann zog er nach Bern und später nach Montagnola im Kanton Tessin. Im Gaienhofener Wohnhaus sind Gedichte, über 20 Erzählungen und der Roman „Gertrud“ entstanden. Im Bodenseeort ist neben dem Hesse- Museum auch das wieder restaurierte Wohnhaus des Dichters, der 1921 die Schweizer Staatsbürgerschaft erhielt, zu besichtigen.
„Auch der bisher nicht bekannte Steckborner- Kachelofen wird aus den Trümmern zusammengebaut und wieder an seinen ursprünglichen Ort, ins ehemalige Esszimmer der Familie Hesse gestellt“, sagt die Hausbesitzerin. Sie ist zufällig auf den berühmten Stilofen gestoßen. „Auf den Bauplänen aus dem Jahr 1907 sah ich, dass im Esszimmer ein Ofen gestanden hatte. Er war aber nicht mehr da“, sagte sie. Durch Recherchen habe sie schließlich herausgefunden, dass ihn ein früherer Besitzer des Hauses in den 70er Jahren abgerissen hatte. Dieser Mann habe ihr erzählt, er habe die Trümmer in die ehemalige Senkgrube des Hauses geworfen.
„Ich dachte zunächst, dass sei ein schlechter Witz. Als wir die Grube öffneten, um sie als Auffangbecken für das Regenwasser zu nutzen, stießen wir aber tatsächlich auf Hunderte von Bruchstücken des Ofens“, sagte sie. Eberwein vermutet, dass der Kachelofen durch Maria Hesse, die erste Frau des Dichters, in das schlichte Haus gekommen ist. Sie entstammte einer großbürgerlichen Familie aus Basel.
Die Kachelofen- Spezialistin und frühere Konservatorin des Historischen Museums des Kantons Thurgau in Frauenfeld, Margrit Früh, hat die Trümmer aus Hesses Plumpsklo inzwischen untersucht und dokumentiert. „Es handelt sich um einen Steckborner- Kachelofen, der wahrscheinlich zwischen 1870 und 1890 gebaut worden ist. Er hat bemalte Lisenen (Eckkacheln) und Gesimse (Füllkacheln)“, sagt Früh. Woher er stammt, ist nicht bekannt. „Jedenfalls haben die Hesses ihn nicht bauen lassen, sondern als Zweitnutzer ins Haus gestellt“, sagt sie.
Aus Hesses Aufzeichnungen ist bekannt, dass er während seiner Zeit in Gaienhofen fast täglich über den Untersee ruderte, um in Steckborn einzukaufen. An seinem Wohnort gab es damals keine Läden. Die heutige Besitzerin des Hesse- Hauses meint: „Im Gegensatz zum einfachen Ofen in seinem Arbeitszimmer hat Hesse den prächtigen Ofen im Esszimmer nie erwähnt. Aber sicher hat er sich in kalten Tagen behaglich an diesen Ofen gesetzt und sich vielleicht auch durch die Wärme inspirieren lassen.“
Aus : Vorarlberg News