Wochenmarkt

Das wirtschaftliche Leben gründete vor allem auf dem wöchentlichen Markt. Mit Hilfe von Vorschriften suchte man immer wieder aus dieser Tätigkeit sichere Geldquellen für den städtischen Geldbeutel zu erschliessen. Im Umfeld veränderten sich die Machtverhältnisse im Verlaufe der Jahrhunderte. 1460 eroberten die VII Orte, damals noch ohne Bern, den Thurgau. 1588 liessen sich die Steckborner von der Eidgenössischen Tagsatzung ein neues Marktprivileg ausstellen. Die niedere Gerichtsbarkeit der Abtei Reichenau, bzw. später des Hochstifts Konstanz blieb bis 1798 bestehen, obwohl sich Steckborn eindeutig unter der Hoheit der Eidgenossen befand.

Reformation

Diethelms Nachfolger, Abt Eberhard von Brandis, erzwang 1344 die Einverleibung des Vermögens der dem hl. Jakob geweihten Kirche zu Steckborn mit der damals finanziell bedrängten Abtei. Sie hatte schon 1275 bestanden (ob von den Herren von Steckborn oder vom Abt von Reichenau erbaut, ist nicht bekannt), und zu ihr war auch Bernang (Berlingen) pfarrgenössig. Von nun an floß also der Abtei das Einkommen der Pfründe zu, und ihr verblieb das Kollaturrecht bis 1540, als das Kloster Reichenau dem Hochstift Konstanz inkorporiert, das heißt der Konstanzer Bischof Johann V. von Wetza Abt von Reichenau wurde. Erst mit der Aufhebung des Klosters Reichenau, 1803, ging das Besetzungsrecht an die thurgauische Regierung über; erst 1831 wurde es den beiden Kirchgemeinden zuteil, und erst 1845 wählte die evangelische Gemeinde ihren Geistlichen selber. Der Abt von Reichenau war also Lehensherr, Gerichtsherr und Kollator sowohl über die katholische als über die evangelische Pfründe. Nach der Reformation schickte er evangelische Prädikanten und katholische Geistliche nach Steckborn. Nachdem der Bischof von Konstanz in seine Rechte eingetreten war, baten gewöhnlich die Evangelischen bei einer Erledigung der Pfründe die Zürcher Regierung um einen Nachfolger. Dieser bedurfte dann noch der Bestätigung durch den Kollator oder seinen Beamten und mußte sich schriftlich verpflichten, seines Amtes zu walten nach dem Wortlaut des Landfriedens, d. h. ohne Schmähung der Katholiken. Es ist begreiflich, daß diese Verhältnisse, die uns etwas sonderbar anmuten, mancherlei Streitigkeiten erzeugten, namentlich wenn wir wissen, daß die Nachfolger des Abtes Diethelm gegenüber Steckborn nicht mehr so opferwillig waren wie er, vielmehr, hinsichtlich der Besoldung der Geistlichen sich ebenso geizig zeigten wie hinsichtlich der Befriedigung von Kultusbedürfnissen der beiden Konfessionen und des Unterhalts der Gebäude, der Kirche und der Pfarrhäuser. Steckborn hätte eine bessere Behandlung verdient. Zeugen der kirchlichen Gesinnung seiner Bewohner waren die verschiedenen Kapellen innerhalb und außerhalb des Kirchortes: Eine in Bernang, vor 883 dem hl. Michael geweiht, die Nikiauskapelle in Feldbach, die Marienkapelle, an die Leutkirche in Steckborn angebaut, und die St. Jodocus-Kapelle auf dem Friedhof. Sodann bestanden vier Kaplaneistiftungen: Die Frühmeßkaplanei, die Pirminskaplanei, die Mariakaplanei und die Häringkaplanei.
Immerhin hatte Steckborn verstanden, sich bei dem Niedergang des Klosters auf einigen andern Gebieten, z. B. im Gerichts- und Verwaltungswesen, eine gewisse Selbständigkeit zu sichern, und zum Schutze gegen weitere Rechtseingriffe seitens der Abtei hatte es mit der freien Reichsstadt Konstanz ein Burgrecht abgeschlossen. Diesem Bündnis entsagte die Steckborner Bürgerschaft 1395 auf Vermittlung des österreichischen Landvogts Engelhard von Weinsberg gegen die schriftliche Zusicherung ihres Gerichtsherrn auf Reichenau, ihre Rechte und Freiheiten zu respektieren. Aber erst 1441 wurden diese näher umschrieben: «Die Bürger können jährlich je nach Belieben ein- oder zweimal ihren Bürgermeister und Rat wählen; der neugewählte Bürgermeister muß aber dem Gerichtsherrn schwören, keine ihm schädliche Neuerung einzuführen. Das Umgeld (Ohmgeld = Gebrauchssteuer) gehört der Stadt, aber nur so lange, als andere reichenauische Gerichtsgenossen davon befreit sind. Ohne Bewilligung des Gerichtsherrn dürfen die Steckborner niemanden als Bürger aufnehmen.»

Im Jahre 1525 trat die ganze Gemeinde Steckborn mit ihrem Leutpriester Benedikt Wyder und den damals amtenden Kaplänen Jakob Hartnagel (Mariakaplanei), Jakob Mertz (Häringkaplanei) und Johannes Düringer (Frühmeßpfründe) zum neuen Glauben über. Wyder blieb bis 1531 noch als evangelischer Pfarrer in Steckborn; die Kapläne Hartnagel und Mertz wurden 1528 vom Rat verpflichtet, statt Messe zu lesen, Schule zu halten; Düringer übernahm den Meßmerdienst. Nach dem für die Reformierten unglücklichen Ausgang der Schlachten bei Kappel und am Gubel und nach Abschluß des Landfriedens vom 16. November 1531 bestimmte der Kollator den evangelisch gewordenen deutschen Karthäuser Hans Schneewolf zum Prädikanten von Steckborn. Am 22. August 1534 verlangte der Reichenauer Abt Marcus die Wiedereinführung des katholischen Gottesdienstes in der Pfarrkirche zu Steckborn, obschon nur wenige Familien zum alten Bekenntnis zurückgekehrt waren. Die Pfründe des ehemaligen katholischen Pfarrers blieb Pfründe des evangelischen Geistlichen; der neue katholische Pfarrer trat in den Genuß der Mariapfründe; die zwei «vacirenden» Kaplaneipfründen wurden nicht wiederbesetzt und von zwei bürgerlichen evangelischen Pflegern verwaltet, bis 1830 alle paritätischen Fondationen einem Pfleger übergeben wurden.
War das Verhältnis zwischen dem Kollator und seiner Gemeinde schon bisher nie ungetrübt gewesen, so erhoben sich nun dazu mancherlei Zwistig-keiten zwischen den beiden Konfessionsteilen, die mehrmals ihre Erledigung erst fanden in Machtsprüchen des thurgauischen Landvogts oder in Abschieden der Tagsatzung. Eine wesentliche Beruhigung trat ein durch den Entscheid, den der thurgauische Landvogt Am Rhyn von Luzern am 4. Mai 1662 traf sowohl über die kirchlichen als über die bürgerlichen Beschwerden, die ihm unterbreitet worden waren. Der Bischof von Konstanz, als Herr des Klosters Reichenau, behielt seine Rechte über die Kirche als Gerichtsherr, Kollator und Ordinator; die Wahl des katholischen Meßmers durch den Rat durfte nur mit Wissen und Genehmigung des katholischen Pfarrers erfolgen; den beiden Konfessionen wurden die Zeiten für Benützung der Kirche genau bestimmt; über das Läuten der Glocken wurde eine neue Verordnung erlassen; der Kollator durfte die Rechnung über das Vermögen der zwei ledigen Kaplaneien einsehen usw.
Merkwürdigerweise (aus welchem Grund, ist nicht bekannt) hatte der Bischof von Konstanz den Turm zu Steckborn an Konrad Ruch, der 1431 —1451 Ammann (wie der Reichenauer Meier damals genannt wurde) war, verkauft. Dann wechselte derselbe seinen Besitzer oft (19. Mai 1487: Peter Andreas von Altendorf; 22. September 1488: Hanns Menninger und Hanns Teucher; 20. Juli 1601 : Domherr Ludwig Hüetlin von Konstanz; 8. Februar 1613: Joh. Ulrich Gratios von Wyden; 6. Juni 1629: Rudolf Chulott von Ensisheim; ? September 1632: Ulrich Deucher, Amtmann, Gastwirt zum «Löwen») und ging am 26. September 1639 an die Stadt Steckborn über. Durch den Entscheid des Landgerichts vom 16. Mai 1521, daß der Turm von Steckborn als Freisitz mit der Jagdgerechtigkeit im Steckborner Bann zu gelten habe, war derselbe unter die hohe Obrigkeit der regierenden Sieben Orte gekommen und gehörte nun zum Gerichtsherrenstand der edlen Landsassen im Thurgau. Der Steckborner Rat setzte einen Aufseher über «der Gemeind Freihus und Gerichtsherrlichkeit» und ernannte ihn auch zum Abgeordneten der Gemeinde an den thurgauischen Gerichtsherrenstand. In dem oben erwähnten Urteil des Landvogts Am Rhyn wurden auch die Kompetenzen des Steckborner Gerichts ausgeschieden.

Die Bürger bestellten bis 1798 alle zwei Jahre in Anwesenheit eines Vertreters des Oberamts Reichenau einen Kleinen Rat mit zwölf Mitgliedern (darunter die zwei Burgermeister und die zwei Seckelmeister, die alljährlich im Amt abwechselten)
und ergänzten denselben durch Zuwahl von zwölf weiteren Mitgliedern zum Großen Rat. Der Rat seinerseits ernannte 36 von den Bürgern Verordnete, die zur Behandlung von wichtigeren Angelegenheiten beigezogen wurden. Als erste Burgermeister werden in einer Urkunde von 1431 Heini Schlupi und Konrad Menninger erwähnt.
Die zwei Gerichte bestanden aus Mitgliedern des Rates, aber nicht unter dem Präsidium des Burgermeisters, sondern des vom Oberamt Reichenau direkt ernannten Ammanns. Auch das Amt des Stadt- und Gerichtsschreibers sowie dasjenige eines Weibels waren katholischen Bürgern vorbehalten. (Bernang hatte sich 1576 von Steckborn getrennt und besaß von da an ein eigenes Gericht; kirchlich hatte es sich schon 1529 unabhängig gemacht.)
Eine weitere Befriedung auf kirchlichem Gebiet brachte der zweite Landfriede, 1712. Im Jahre 1730 wurde ein neues Pfarrhaus erstellt für den evangelischen Geistlichen und 1735 das alte katholische Pfarrhaus vertauscht an das Haus zum «Weißen Trauben» am Marktplatz mit einem Aufgeld von 1500 Gulden. 1734—-1736 erfolgte die Renovation des Kirchturms, 1766—1768 der Neubau der Kirche durch den Baumeister Franz Anton Bagnato.
Die gedeihliche Entwicklung, welche der Stadt nun beschieden war, wurde empfindlich gestört durch die kriegerischen Ereignisse zu Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Bis anhin war sie nie von Kriegen stark in Mitleidenschaft gezogen worden; sogar der Dreißigjährige Krieg brachte ihr keine größeren Schädigungen. Aber in den Jahren 1798—1801 verursachten die Einquartierung von französischen, österreichischen und helvetischen Truppen (4950 Offizieren und 157 397 Gemeinen), die Zerstörung des Brückenkopfes im Scharen und die Lieferung von Lebensmitteln eine Ausgabe von 138 710 Gulden. Trotz dieses großen Opfers herrschte in Steckborn große Freude über die Staatsumwälzung von 1798; denn sie brachte die Unabhängigkeit von der Abtei Reichenau, und Steckborn wurde Hauptort des Bezirks und des Kreises Steckborn. Einige Bürger leisteten dem neuen Kanton und der Eidgenossenschaft treffliche Dienste: Zeughauptmann Labhart war Mitglied der Helvetischen Regierung; Joh. Uhrich Hanhart (24.10.1773—15.8. 1835) gehörte 1803—1830 dem thurgauischen Kleinen Rate an und war 1808 und 1812 Gesandtschaftsrat bei der Tagsatzung; Joh. Melchior Gräflein (26. 2. 1807—11. 7. 1849), Advokat, bekleidete 1835 die Stelle des Staatsschreibers, später die des Obergerichtspräsidenten und lenkte 1837—1849 mit Dr. J. C. Kern und J. B. v. Streng (diese drei Männer bildeten zusammen die Justizkommission) die Geschicke des Thurgaus.
Rat und Geistlichkeit waren seit der Reformation eifrig besorgt für die geistige Ausbildung der Jugend, bei gelegentlichem Mangel an tüchtigen Lehrkräften allerdings mit wechselndem Erfolg. Im Bürgerarchiv liegt eine interessante Schulordnung aus dem Jahre 1665, in welcher die Pflichten des Lehrers, der Kinder, der Eltern und der Schulherren oder Visitatoren genau umrissen sind. Mehrere Legate und das Ergebnis einer Kollekte unter der Bürgerschaft ermöglichten 1755 die Umwandlung der Gemeindeschule in eine Freischule. 1801 wurde an die 1796 eingerichtete zweite Schule ein Provisor berufen; 1834 erfolgte die Eröffnung der Sekundärschule. Ein bedeutender Schulmann war Provisor Joh. Balthasar Hanhart (1784—1840). Er führte Lehrkurse durch zur Vorbereitung junger Leute für den Schul­ dienst und zur Fortbildung von im Amte stehenden Lehrern fürs Inspektorat; er war der Gründer des freiwilligen kantonalen Schullehrervereins und einer der Gründer des Thurgauischen Sängervereins.
Im Jahre 1667 erstand das stattliche Rathaus auf den Grundmauern eines altern Rathauses. 1645 wurde das westlich an den Furm stoßende Nebengebäude in ein Kaufhaus umgebaut, in welchem die Bürger und die andern Einwohner von Steckborn, vor allen die Bäcker, ihren Bedarf an Kornfrüchten zu decken hatten. Nur wenn auf dem hiesigen Markt nichts erhältlich war, war's erlaubt, andernorts Ein­
käufe zu machen. Verkäufliche Frucht war ins Kaufhaus zu bringen und dort feilzubieten.
Wie schon erwähnt, blieb Steckborn während des Dreißigjährigen Krieges von schweren Heimsuchungen verschont; immerhin brachten die Stellung seiner dem Quartier Ermatingen zugeteilten Mannschaft (242 Mann) für den von der Tagsatzung geforderten Grenzschutz, die Bereithaltung der nötigen Munition und die gelegentliche Einquartierung eidgenössischer Truppen nicht unerhebliche Lasten. Die Gefährdung der Landesgrenzen während der letzten zwei Jahre des Krieges legte dem Rate nahe, die Wehrkraft der Bürger zu stärken, nicht nur wie es der Würde einer Stadt geziemte, sondern auch wie es deren exponierte Lage erforderte. 1647 wurde darum die Stadtringmauer ausgebessert. 1649 erlaubte die Tagsatzung die Lostrennung Steckborns vom Quartier Ermatingen (unter Auferlegung eines Drittels der Kriegssteuer dieses Quartiers) und die Ernennung eines eigenen Stadthauptmanns für die Mannschaft von Steckborn sowie die Zuteilung der letztern zur Leibgarde des Landvogts im Kriegsfall. Den Dank für diese Gunst bezeugte Steckborn durch ein Geschenk an den Landvogt in Gestalt eines vergoldeten silbernen Bechers, der 144 Gulden 1 Batzen kostete, und der Stadthauptmann hatte dem Landvogt für sein Patent 100 Taler, von 1662 an 18 Kronen = 36 Gulden zu entrichten. Sodann erfolgte 1658 die Einrichtung von Zeugkammern im Turm und 1662 die Einführung einer neuen Wehrordnung behufs Beschaffung des nötigen Vorrats an Kriegsmaterial und Gründung eines Zeugfonds. Jeder Bürger, der zu einer Ehrenstelle gelangte oder einen militärischen Grad erhielt, hatte das Zeughaus mit Waffen oder Schießbedarf oder mit barem Geld, entsprechend dem Grad oder dem Vermögen, zu beschenken. Der Stadthauptmann (jeweils der Amtsburgermeister) z. B. hatte 2 Musketen, 8 Pfund Pulver, 8 Pfund Blei und 8 Pfund Lunten zu geben; der
Stadtseckelmeister 1 Muskete; der Stadtleutnant 1 Muskete und 2 Pfund jeder der drei Gattungen Munition; der Korporal oder Rottenführer 1 1/2 Pfund; «welcher an der Frömbde oder außer der Stadthauptmannschaft weibet, deren künftig Erb 1000 oder mehr fl. sein möchte, sol inskünftig geben 4 oder mehr fl. nach Gestaltsame des Guts» usw.

Mit einem Vorhang in der Kirche trennte man den kath. Teil der Kirche ab.

Dieser Vorhang bewährte sich bis zum Neubau der kath. Kirche


Das Landstädtchen

Herrliberger

Die Bewohner trieben neben ihrem handwerklichen Beruf meistens noch Landwirtschaft. In der Mitte des 19. Jahrhunderts zählte Steckborn gegen 1700 Einwohner. Man verzeichnete damals rund 50 verschiedene Handwerke. Die Berufsleute schlossen sich zu Handwerkszünften zusammen. Eine besondere Bedeutung erlangten die Ofenhafner und Ofenmaler. Ab dem zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts eroberten die Steckborner Ofenbauer mit neuer Technik gegen eine harte Konkurrenz rasch ein grosses Absatzgebiet. Viele kunstvolle Steckborner Öfen stehen noch heute in Klöstern, Schlössern und Bürgerhäusern.