Referat von Ed. Hanhart

Der Untersee, in frühern Zeiten deutlicher unterer Bodensee genannt, bot damals in seinen Ufergestaden Schutz gegen Ueberfälle der Menschen und der Tiere und durch seinen Fischreichtum willkommene Nahrung. Beides Gründe, die zur Besiedelung einluden und auch führten. Man findet denn auch im Thurgau in den Seegegenden die ältesten urgeschichtlichen Funde. Ihr Entstehen liegt etwa 5000 Jahre hinter uns. Als vorgeschichtliche Perioden erwähne ich die der Pfahlbauten, also die Steinzeit von zirka 3000—1800 v. Chr., die Bronzezeit von 1800—800 v. Ch. Aus dieser Zeitepoche befinden sich gegen 1000 Fundstucke aus den beiden Steckborner Pfahlbauten, die 1924 anlässlich der Versammlung des thurg. historischen Vereins von Privatbesitzern zu einer Sammlung zusammengelegt wurde im Heimatmuseum. Die damaligen Bewohner waren Jäger, Fischer und Ackerbauer. Nach und nach verliessen sie ihre, im Wasser stehenden Wohnungen und vertauschten dieselben mit solchen auf dem Lande. In dieser Zeit erfolgte auch die Bekanntschaft und die Verwendung des Eisens, es begann die Eisenzeit, die auf die Jahre von 800—58 v. Ch. datiert wird. Während dieser Zeitperiode, im 4. Jahrhundert v. Ch. wanderten nun, getrieben durch das Vorrücken der Germanen, neue Volkerschaften aus den Gegenden des mittleren Rheines, des Nekars und des Mains in unsere Gegenden ein. Es war der keltische Stamm der Helvetier, der aber bald wieder unter Nivico nach Gallien weiter ziehen wollte. Das vereitelten die Römer unter Julius Casar, er brachte 58 v. Chr. das helvetische Land und Volk unter römische Herrschaft. Aus dieser Zeit sind noch vielerei Ueberreste vorhanden, so in unserer Gegend vom Kastell in Burg, von der Strasse Pfyn-Eschenz und vom römischen Dorf Eschenz. Bei den Häusern in Unter-Eschenz ergaben Grabungen recht viele Gegenstände von damals. Eine Sammlung solcher als Ergebnis vom Frühjahr 1939 kommt nach der wissenschaftlichen Bearbeitung in unserem Museum zur Ausstellung. Auch im Rollirainacker finden sich Kleinfunde von Römersachen. Der steinerne Brückenkopf bei Eschenz, von wo aus die bereits genannte Straasse über eine Brücke nach der Insel Werd und weiter an's deutsche Ufer führte, war bis 1756 gut erhalten. Pfahlreste einer römischen Schiffslandestelle kamen anlässlich der Grenzbefestigungsbauten vom letzten Nachsommer zum Vorschein. Zwei solche kamen ebenfalls in unfere Sammlung. Auch die Romerherrschaft verschwand wieder. Im Iahre 260 n. Chr. kamen von Norden her erstmals die Alamannen, die nach und nach und vom 5. Jahrhundert an dauernd unser Land in ihren Besitz nahmen. Sie verteilten den Boden an ihre Führer, an Volksgruppen, an Hundertschaften und einen grossen Teil davon machten sie aber zu allgemeinem Nutzungsgut, zu Allmenden und zu Gemeinwerchen. Diese Gebiete bildeten später den oft bedeutenden Grundbesitz der Gemeinden. Erinnerungen an diese ackerbautreibenden Alamannen sind die Dreifelderwirtschaft und viele Niederlassungen, die ihre Namen von den damaligen Besitzern herleiten können. Auch die aufgefundenen Gräberfelder in Ermatingen, in Eschenz, in Steckborn sind Beweise ihres Daseins und ihrer Kultur. Das gibt mir Anlass auf die reichhaltige Fundstelle im Grundstück beim hiesigen Schützenhause hinzuweisen. Alle damals zum Vorschein gekommenen Gegenstände bilden eine recht interessante Partie in unserem Heimatmuseum. Im Jahre 536 kamen die Franken ins Land, sie schufen politische Organisationen, bildeten im nordöstlichen Teil der heutigen Schweiz den Thurgau und den Zürichgau. Denselben standen Gaugrafen vor, die die Gerichtsbarkeit, den Heerbann und die Polizei ausübten. Der Erste im Thurgau hiess Warin, er wurde seit 754 urkundlich genannt. Die Gauverfassung hielt sich nicht auf die Dauer, sie löste sich wieder auf. Es entstund ein Herzogtum Alamannien mit Landgrafen, die aber lediglich nur den Vorsitz im Landgericht hatten. Es entstunden der Grossgrundbesitz und die Grundherrschaften der Fürsten, der weltlichen Herren und der Klöster. Alle, besonders Letztere erhielten fromme Schenkungen und vermehrten dadurch ihre Besitzungen ganz bedeutend. Zu solchen Schenkungen gehört z. B. diejenige des Frankenkonigs Chlodwig und des fränkischen Major domus, der 724 die Einkünfte aus Erfmuotinga, wie damals Ermatingen hiess, dem Gründer der Abtei Reichenau, dem heiligen Pirmin machte. Auch der Edelmann Selbo soll seine Steckborner Besitzung um die Mitte des 9. Jahrhunderts, die damals eine alamannische freie Markt-Genossenschaft gewesen, der Abtei Reichenau geschenkt haben. Dadurch wurden die Steckborner Leibeigene des Abtes und wurden so seiner hohen und niederen Gerichtsbarkeit unterstellt. Wie Selbo in den Besitz unserer Gegend gekommen, ist nicht bekannt. Der Reichenauer Besitz nahm zusehends zu, fast die ganze Unterseegegend gehörte nach und nach dazu. Die adeligen Herren erhielten Güter von freien Bauern, die sie aber als Zinsgut zu Lehen zurücknahmen, dadurch erreichten sie, daß sie sich dem Kriegsdienst entziehen konnten, was sie dem „frei sein" scheints vorzogen. Hörige, Unfreie hatten eben keinen solchen zu leisten. In schwerer Zeit für die Abtei Reichenau von 1308 bis 1342 stand das Kloster unter dem vom Papst gewählten Abt Diethelm von Kastell. Er war der 48. Abt des Klosters und seit 1292 Abt von Petershausen. Er entstammte der bischöflichen konstanzischen Ministerialfamilie von Kastell. Dieses Mandat übernahm Diethelm mit der festen Absicht die Abtei zu reorganisieren. Er fand dies für nötig, da die Mönche kein gemeinsames Leben mehr führten, ihre geistlichen Pflichten vernachläßigten und weil bei denselben als fahrende Ritter ein weltförmiges Wesen aufgekommen war. Auch war der Teil des Klosters, der vor zrrka 50 Jahren bei den Kriegen zwischen Papst Imozenz IV. und den Hohenstaufen Kaiser Friedrich II. von den Truppen des Letztern verbrannt worden war, noch nicht wieder aufgebaut. In erster Linie ging Abt Diethelm daran, die zerstörten Kirchengebäude neu erstehen zu lassen. Die Klosterherren mußten sich wieder bequemen nach den Regeln des heiligen Benediktus zu leben. Das geistliche Gewand mußte neu zu Ehren kommen und der Gottesdienst in allen seinen Teilen gründlich gepflegt werden. Das paßte den adelsstolzen Kapitelherren nicht. Es gab gegen den strengen und daher gehaßten Abt Klagen aller Art, die sich aber als grundlos erwiesen. Schon seit langer Zeit hatte die Abtei in Borgo am Comerrsee Besitzungen, welche ihnen damals bestritten wurden. Dies veranlaßt Abt Diethelm im Jahre 1312 zur Winterszeit zu Kaiser Heinrich VII. zu reisen, der sich damals in seinem Lager vor Florenz befand. Nach Vorbringung des reichenauischen Standpunktes entschied sich der
Kaiser zu Gunsten der Klosterrechte. Bei diesem Anlasse erbat sich Diethelm als besonderer Beweis der Kaiserlichen Gunst ein Marktprivileg fur seinen Fronhof Steckborn. Er erhielt es auch für den Donnerstag und nun konnte, weil die Abtei Grundherr war, ein Wochenmarkt eingeführt werden. Unsere Lage dazu muss damals als günstig augesehen worden sein, weil Konstanz, Radolfszell und Diessenhofen, als die nächsten Marktorte eine gewisse Entfernuug aufwiesen und weil über Steckborn die beste Verbindung mit den äbtischen Besitzungen im Thurtal führte. Auch muss unser Ort schon damals ein befestigter Platz gewesen sein. Der Fronhof bestand 1313 aus zwei Kelnhöfen, dem Ober- und Unterhof je mit Betriebsgebäuden und der Kirche. Westlich war der Stadtbach die Grenze, östlich bestand ein Holz- oder Palisadenzaun, offen war das Gebiet gegen den See zu. Der so umschlossene Bann enthielt auch Baumgärten und zu andern Kulturen benutzten Boden. Davon bestimmte Abt Diethelm den seewärts gelegenen Teil als Marktbann, allwo der Wochenmarkt abzuhalten war. Er wurde in Hofstätten abgeteilt die unentgeldlich solchen Personen abgegeben wurden, die sich daselbst ein Haus bauen und sich darin haushablich niederlassen wollten. Man war bestrebt Marktansiedler, Händler und Handwerker zu gewinnen und sich zu vergrössern. Solche erhielten auch aus dem allgemeinen Wald das nötige Holz zum bauen, sowie die Erlaubnis je 1 Kuh uud 1 Schwein auf die Gemeindeweide treiben zu dürfen. Die Zahl der Hofstätten war auf 80—100 beschränkt. Aus diesen wählte Abt Diethelm für den Turmbau den Platz am See. Derselbe begann 1313, jedenfalls nicht früher, da er bis 1312 mit den Bauten in Reichenau vollauf beschäftigt gewesen war. Das entstandene Gebäude dessen Seeseite passend für einen Teil einer Stadtmauer war gab dann Anlass zum Bau einer solchen, es entstand die befestigte Stadt mit dem Turm, der gleichsam deren Zitadelle bildete. In dieselbe hoffte Diethelm auch Mini-steriale des Klosters als Einwohner zu bringen, indem er erwartete, dass solche auf den Stadtmauern Burgsässen bauen — wie z. B. das jetzige ,,alte Schloss" einer ist, um in denselben in Kriegszeiten ihre Familien unterzu-bringen, wie das in Frauenfeld, in Bischofszell, in Arbon auch der Fall war. Die bisherige geschichtliche Darstelluug, die auch noch der thurg. Geschichtsforscher I. A. Pupikofer im Neujahrsblatt 1830 über Steckborn darlegte, dss Abt Diethelm überdrüssig der Quertrerbereien seiner Konventualen in Steckborn Wohnung genommen habe, bezweifelt Staatsarchivar Schaltegger sehr, da dies so gar nicht zum willensstarken Charakter, zum ans Befehlen gewohnten Manne gepasst hätte! Er suchte den Hanptgrund in Streitigkeiten der Abtei mit weltlichen Herren, so mit Ludwig dem Bayer und Andern, um vor denselben auf thurgauischem Boden Schutz zu haben. Der Turm selbst diente auch als Zufluchtsort in Kriegsnöten.

Doch nicht nur in solchen Zeiten war derselbe von Diethelm bewohnt, er diente sicher auch familiären Zwecken, zum Aufenthalt von Verwandten, denn dessen Bruder Albert war ja Stiftsprobst und Domherr zu Konstanz, Besitzer der Neuburg und Kirchenherr der Kirche Sankt Jakob zu Steckborn. Als ungehinderter Zugang von der Reichenau her diente das kleine rundbogige Tor in der "Stadtmauer bei der nordöstlichen Ecke des Turmes. Als Abtswohnung unterstand der Turm nicht der Stadtordnung, er bildete eine eigene Gerichtsbarkeit. Seine Zufuhren vom See zum Markt waren frei von Zoll und Gebühren. Die Einkünfte der Abtei aus dem Fronhof, die Grundzinse, die Zehnten wurden daselbst entgegen genommen und letztere in einem benachbarten Keller mit einer Torkel untergebracht. Die Jagd und die Fischerei in einigen Landreisern vor dem Turm im See gelegen, waren Rechte der Abtei. Auch ein Asylrecht genoss der Turm, er war eine Freistatt und ein Zufluchtsort für Verfolgte, bei dessenToren den Verfolgern unbedingt Halt geboten war. Dasjenige vom Marktplatz der sowie das Seetörchen waren deshalb Tag und Nacht in ihrer obern Partie offen, über den untern Teil konnte man sich gut hinuberschwingen. Jede Person die wegen einem Verbrechen wie Mord, Todschlag die Rache fürchtete war vor jedem Zugriff geschützt, sobald sie den Boden des Turmes betreten hatte. Wer das Asyl erreichte, der durfte es 6 Wochen und 3 Tage lang beanspruchen. Innert dieser Zeit konnte er eine gunstige Gelegenheit zur weitern Flucht wahlen. 1343 beschloss Abt Diethelm sein wechselvolles und tatenreiches Leben. Er liess die Abtei in geordneten Verhältnissen zurück. Nach ihm kam bis 1379 Abt Eberhard von Brandis als sein Nachfolger und diesem folgte Wernher von Rosenegg bis zum Jahre 1402. Um diese Zeit wurde der Turm den Reichenauischen Ammännern in hier als Amtswohnung angewiesen. Als solche sind in Urkunden erwähnt:

1376 Hans Schmid, 1381 Konrad Vorster, 1405/12 Hans Kärnder, 1416 Hans Wolfskehler, 1431/51 Junker Konrad Ruch, 1451/62 Lienhard Martin, 1463 Martin Füllemann, 1473/84 Hans Menniger, der denn 1487 und 1489 Obervogt genannt wird, 1484/88 Peter Füllemann, 1489/95 Hans Menniger, 1504/13 Ulrich Deucher und 1519/21 Ludwig Deucher. Der bereits als Ammann genannte Konrad Ruch wird 1458 in einer Urkunde als ,,gesessen" zu Steckborn und als Zeuge und Sigler von Urkunden bis 1487 aufgeführt. Er war damals auch Besitzer des Freisitzes zum Turm. Daselbst wohnte er mit seiner Frau Dorothea und seinem ledigen Sohne. Abgaben, Steuern hatte er keine zu bezahlen. Die Jagd in der Steckborner Waldung stand ihm zu. Auch konnte daselbst gespielt werden, während es in der Stadt verboten war. Das benutzten namentlich Kameraden des jungen Ruch. Während die Eltern Ruch hier wohnten kamen sie auch in Geldnöten da deren Einkünfte mit ihren Bedürfnissen nicht zusammen stimmten. Der Jude Salomon von Schaffhausen verschaffte ihnen Geld zu Wucherzinsen, sodass Ruch 1470 Geldtag machen musste. Klagen des Juden fanden weder vor den Gerichten in Steckborn, noch vor Hofgericht zu Rottweil Schutz, sodass Ruch noch 12 Jahre auf seinem Besitztum zubringen konnte. Unterdessen war er selbst alt und gebrechlich geworden und da sein Sohn gestorben war, verkaufte er seine Liegenschaft 1487 an Veter Andreas von Aldendorf zu Steckborn. Auf derselben lasteten folgende Beschwerden: 6 fl. 6 Groschen jährlicher Zins ans Gotteshaus Reichenau, 1 Pfd. Pfg. ans Kloster Kreuzlingen und 1 Pfd. Pfg. an die Liebfrauenpfrund zu Steckborn, ablösig mit 120 fl. und das Wohnrecht fur Ruch und Frau auf Lebenszeit. Im übrigen war sie von der Abtei als Pfand hinterlegt, aber ohne Schaden fur den Käufer. Am Kaufpreis hat der Verkäufer empfangen: 7 Manngraben Reben im Schreiental und an bar 27 fl. rheinisch = c. 270frs. Das Kaufsobjekt war derart mit Schulden belastet, dass der Mehrerlös nur noch ausreichte, um das Leben der alten Leute bis zu ihrem Ende zu fristen. Gefertigt wurde der Kauf von Ammann Peter Füllemann, als Anstösser sind in der Urkunde genannt: Hans Düringer und der Hertenstein. Nur ein Jahr war Peter Andreas Eigentümer der Turmbesitzung. Am 21. September 1488 verkaufte er den Turm, die vordere Behausung und Torkel, die Hofreiteund Garten, die Jagdgerechtigkeit, Reiser im See, ein Baumgarten und das Weierli am Bach bei den Bandstocken an Hanns Menninger z. Zt. Obervogt des Gottshaus Reichenau und an Hanns Deucher, Bürgermeister zu Steckborn. Der Kaufpreis war 350 Goldgulden sowie Uebernahme der bereits im vorigen Kauf genannten Beschwerden. Die Fertigung des Verkaufsobjektes erfolgt nicht durch das Ammanngericht, beigefügt wurde aber, es gelte doch, wie wenn es gefertigt wäre. Die Urkunde trägt die Siegel des Junkers Burkhard von Heudorf von Aulfingen, Bürger zu Schaffhausen und das des Verkaufers. Auch diese neuen Besitzer waren es nicht lange zusammen, bald trat Menninger seinen Anteil an Deucher ab und nunmehr blieb die Turmbesitzung 112 Iahre lang, von 1488 bis 1601 im Eigentum der Familie Deucher. Der Bürgermeister Hanns Deucher hatte drei Enkel: Ludwig, Melchior und Moritz, die sämtliche im Turmhof wohnten. Der Erstere ist 1519 Ammann geworden als Nachfolger des Ulrich Deucher der 1504 bis 1513 reichenaui-scher Amtmann in Steckborn gewesen. J m Jahre 1520 wurde den drei Brüdern die Jagdgerechtigkeit vom Landesweibel Hanns Werli in Frauenfeld — Staatsanwalt würde man heute sagen — streitig gemacht, nachdem kurz vorher Landvogt Bili ihnen dieselbe verboten hatte. Anlässlich der Verhandlungen vor Landgericht erklärten die Deucher, dass der Turm ein Freisitz sei, daher als solcher die Jagdberechtigung von jeher besessen und dass sie auch ausgeübt worden sei. Dafür bringen sie Zeugen, auch wies er die Kaufbriefe von 1487 und 1488 vor. Unterm 16. Mai 1521 entschied das genannte Gericht, dass der Turm als Freisitz mit der Jagdgerechtigkeit im Steckborner Bann zu gelten habe. Dieses Urteil hatte für den Turm und seine Besitzer wichtige Konsequenzen. Als Amtswohnung war derselbe unter der Oberhoheit der Abtei Reichenau gestanden, dementsprechend war auch der Kaufbrief von 1487 vor dem äbtischen, niedern Gerichte zu Steckborn gefertigt worden. 1460 hatten die Eidgenossen den Thurgau erobert und die regierenden 7 Orte beanspruchten nun auch die äbtischen Besitzungcn zu Steckborn, also für den Freisitz, die Landeshoheit und damit die hohe Gerichtsbarkeit über denselben. Sie übten sie in der Folge auch aus. Besitzesänderungen des Turmes kamen nicht mehr vor dem Ammanngericht Steckborn sondern vor dem thurgauischen Landgericht Frauenfeld zur Fertigung. Der Turm stand nunmehr unter der hohen Obrigkeit der regierenden 7 Orte, auch gehörte er als Freisitz zum Gerichtsherrenstand der edlen Landsassen im Thurgau. Mit dem Bischof von Konstanz, den Aebten von St. Gallen und Reichenau und weltlichen adeligen thurgauischen Gerichtsherren stand er auf einer Linie. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts waren Hanns Martin Deucher und Sohn nicht mehr die alleinigen Besitzer des Turms. Neben ihnen figurieren als solche auch noch ihre Schwiegersöhne und Schwager Andreas Labhart und Sebastian Mangold. Im Jahre 1587 entlehnten alle bei Wittwe Mahle in Konstanz 500 fl., für welchen Betrag ein Pfandbrief erstellt worden war. Das Geld diente zur Renovation und zur frischen Ausstaffierung des Turmes, da man denselben einem zahlungsfähigen Liebhaber verkaufen wollte. Dieser fand sich dann in der Person des Konstanzer Domherrn Ludwig Huetlin, der aus dem Huetlinberg jezt Hüttenberg südlich Eschenz stammte. Vor dem Landgericht Frauenfeld fertigt Hans Martin Deucher, Sohn, dem Herrn Ludwig Huetlin, Domherrn zu Konstanz, den Turm zu Steckborn um 1900 fl. zu. ,,Ich, Melchior Strabi, des Rats zu Glarus, Landvogt im Thurgow, thun kund mit disem Brief, das uf hütt siner dato in der statt Frouenfeld gerichtswys für mich komen find die fromen, ernvesten, fürnemmen, erberen und beschaidenen Hans Marti Töucher jung, innamen und als vollmächtiger Anwalt und Gewalthaber Hans Marti Töuchers, des Alten, sins elichen lieben vatters, Andreas Labhart und Sebastian Mangolt, Schärer, all vier Burgern zu Steckporen, als Verkäuffer an ainem, und Herr Ludwig Huetlin zu Costentz als Köuffer am andern Teil. Offnoten und verjachen gedachte Verkäuffer, für sich selbs und in namen obstat, vor mir in recht, wie sy fur sy, ir aller erben und Nachkomen mit rechter guter Vernunft, wolbedachten Sinn und Muth, gut fry aigens Willens von ir aller bessern Nutz und Frommens willen, mehrerm irn infallenden schaden damit ze fürkomen und abzuleinen, vorgedachtem Herrn Ludwig Hüetli und seinen Erben und Nachkomen zu koufen geben hätten mit Namen: Iren adenlichen Frysitz und Behusungen, genannt zum Thurn zu Steckporen, zwüschent Hermann Hofmanns, Hans und Melchior der Weberen Gebrüeder, Behusungen gelegen; stiesse vorne an die Landstrass, und hinden an den See; habe die Fryhait und Gerechtigkait, ainen Todschleger sechs wochen und dry Tag zu beherbergen und ufzunehmen; vornen an der Strass ainen offnen Ingang und hinden am See ain Thor. Welliches alles durch den Inhaber mag beschlossen werden. Doch muhte er, Kaufer, gemelten Webern Gebrüederen ain Weg, ir Vich hinderen und fürhen zu triben, lassen. Den mög er Inhaber inen nach sinem Gefallen machen lut ains Briefs. Diesen adenlichen Frysitz, so under ander adeliche Frysitz und Gerichtzherren im Thurgow gezelt, mit Tach und Gemach, Behusungen, Torgglen und Schüren, Stallungen, Källern, Spychern, sampt den zweyen krutgerten und Zugehörungen, so alles in ainem Infang; item zway Landryser und Vischentzgerechtigkeit, mit anglen im See vor den Fenstern gelegen; und sonsten gemainlich und sonderlich mit allen Fryhaiten, Herlichaiten, rechten und Gerechtigkeiten, damit diser Thurn mit desselben zugehörigem Infang sowol als ander Adelpersonen im Thurgow by ihrem Gerichtzherrentag erschinen und in demselbigen die Anlag nach der Gepür sowol als ander Gerichtsherren zu erstatten schuldig, so habe ouch Inhaber des Thurns Gerechtigkait zu jagen, zu hagen, zu voglen und schiessen in den Wäldern und Hölzern, so der Gemeind Steckboren zugehörig, und alle Fryaiten zu gebruchen, wie sy, die Gerichtzherren, den Inhaber des Thurns handhaben, schirmen helfen sollen, inmassen by und under inen in Uebung und Bruch. Das ouch diser Thurn und, was in sinem Infang begriffen, gegen der Gemaind ze Steckboren, Stür, Wacht und aller andern bürgerlichen Beschwerden fry und ledig sige, und im darin Niemand kain Ingriff thun; ouch sin Inhaber jederzit, wann es im geliebe, unverhindert menglichs und one ainigen Abzug darzu und darvon ziehen, ouch mit winschenken, Win und anderen Waren, wamit im gefellig, ze handeln befüegt. Das ouch ain jeder Besitzer des Thurns Faals und aller daherrüerenden Beschwerden ledig sin, inmassen dann sy, Verköuffere und ir Vorfaren, Inhaber des Thurns, sollichs alles von alter und bisher ingehept, genutzet, genossen und besessen, darin gar nütz utzgenomen und hindangesetzt. Und wäre diser redliche und ewige Kouf zugangen und beschechen umb tusend nünhundert Gulden, guter unverrüefter der Statt Costentz Müntz uud Werung, deren er Köuffer nümhundert und fünfzig Guldin, namlich 500 Guldin von wegen Hans Marti Töuchern gegen der Frow Masslinen zu Costentz, item 300 tl. Amann Rybin zu Ermatingen und 150 tl. gegen Antony Speken zu Hattingen, Baschi Mangolten halb, alles Houptgut und etliche Zins, so uf Martini nechstkünftig by erster Bezahlung abzogen werden, uf solichem verkouften Frysitz verbrieft und verschrieben, über sich nemen, drü Jar lang die nechsten verzinsen und nach Verschynung derselben drü Jaren ablösen, und den Verküufferen die Hoptbrief zu iren handen überantwurten, sy in aber vor Ussgang sollicher dry jaren nit ze nöten haben. Was dann an diser Koufsumm über die verwisne Summ noch mer restierte, er, Herr Koufer, inen Verköuffern das halb uf Martini und das ander Halbteil uf Ostern, beid Zyl nechstkünftig usrichten und erlegen, doch aber sy hieran nüntzig fl. an sinem ewigen Gült oder Zinsbrief, so in der Rychenow gezinst, annehmen und dann abzogen werden sölte. Also mit semlichem Geding und in dem Rechten, das oft gedachter Kouffer, sine Erben und Nachkomen, obgeschribnen erkouften Frysitz sampt allenklichen zugehörigen Infang, inmassen obstat, nunhinfüro allwegen in rechter rüwiger stiller Gewer und Besitzung inhaben und sunst in all ander Weg als mit anderen iren aigenen erkouften Güetern damit gafaren, werben, thun und lassen sollen, von den Verkonffern daran ganz ungesumpt und in allweg unansprächig." Geben an Mentag vor Sant Jakobstag nach Cristi Geburt tusend secshundert und ain Jare.

Auf Anfrage des Käufers gibt Ammann Viktor Menninger und Bürgermeister Moritz Hausmann und der Rat von Steckborn am 21. Iuli 1621 die besiegelte Erklärung ab, dass er gegen die erfolgte Kaufsfertigung nichts einzuwenden habe und dass man ihm zum Erworbenen Glück wünsche. Anders verfuhr das Oberamt Reichenau, es erhob bei der Tagsatzung zu Baden Protest gegen den Kauf, indem es geltend machte, die Familie Deucher sei nie zu Versammlungen des Gerichtsherrenstandes erschienen, sie habe nie an die Kosten Beiträge geleistet und sei überhaupt mcht jagdberechtigt. Die Beweismittel Deuchers siegten wieder, abermals wurde der Turm bei seinen Rechten, Freiheiten, Siegeln und Briefen geschützt und dem Besitzer das Recht bestätigt im Steckborner Bann zu jagen. Dieses Letztere war für Deucher besonders wichtig, da Huetlin den Kauf nur halten musste, wenn die Jagdberechtigung zum Turm gehöre. Dieses Recht ist auf 500 fl. gewertet worden. Huetlin blieb nicht lange im Genusse seines Besitztumes, er verlegte bald seinen Wohnsitz nach Nürnberg, wo er auch starb. In der Folge, am 24. Mai 1611 übergaben zwei Nürnberger Johann Blumenau und Sebastian Leiprecht dem Amtseinnehmer Sartorius ein Verzeichnis von 13 Hausbriefen über den Turm, die dem Ratsherr David Labhart zu "treuen Händen übergeben worden waren zwecks Vorlage und Kaufsunterhandlungen mit einem allfälligen Liebhaber des Objektes. Anno 1613 stellte sich als solcher ein: Hans Ulrich von Wyden und Hausen. Gekauft hat er aber den Turm nicht. Ueber die Herkunft desselben und seiner Familie herrscht ziemliches Dunkel. Da nachher genannte Familie doch noch in den Besitz des Turmes kam, sei hier wenigstens angeführt was bekannt ist. Sicher weiss man nur, dass Letztere aus Württemberg stammte, dass Hans Ulrich 1597 aus der Stadt Tübingen ausgewiesen worden war und dass er 1610 Pforzheim mit Schand und Spott verlassen musste. Mittellos liess er dorten seine Frau und Tochter zurück. Ein Verwandter Christopf Wertwein sorgte dann 17 Iahre lang für dieselben, an die Kosten trug der Ehemann keinen Heller bei. Die Tochter verehelichte sich 1621 mit Joh. Georg Drechsel von Deissenstetten, dem Gratios 5000 fl. Mitgift versprach, aber Wort hielt er nicht. Dieser genannte Hans Ulrich ist nun vorher in Geschäften für den Reichsgrafen Gottfried von Oettingen nach Zürich gekommen, daselbst hörte er vom feilgebotenen Schloss Wyden bei Ossingen.

Turmhof mit Schindeldach

Er kaufte es und dabei nannte er sich Johann Ulrich genannt Gratios von Glotz. Als nunmehriger Schlossbesitzer änderte er seinen Namen auf Johann Gratios von Wyden und Hausen. Bei ihm, als Verborgener vor seinen Gläaubigern lebte sein Bruder Esajas. Aus der Ehe des Letztern mit Magdalene Wegstein von Urach entstammten eine Tochter Marie Magdalena und ein Sohn, der den Namen seines Onkels Johann Ulrich hatte. Auch dieser hatte die Gunst des genannten Reichsgrafen und mit dessen finanzieller Hülfe kam dessen Kauf des Turmes zu Steckborn zu Stande. Der Kaufbrief über den Turm trägt das Datum 8. Februar 1613, der Preis betrug 1950 fl. Um dem Gebäude ein besseres Aussehen zu geben, wurde eine neue Wendeltreppe eingebaut und ob deren Portal eine steinerne Tafel mit dem Wappen angebracht. In dieselbe ist links die linke Hälfte eines Doppeladlers und rechts eine Lilie mit oberer und unterer Hälfte eingehauen. Auch der Hof wurde durch Zukauf von 400 Qnadratfuss Boden, der den Nachbarn Gebrüder Weber gehörte, vergrössert. Die Hofmauer wurde dementsprechend versetzt. Das gab Differenzen mit dem Obervogt von Reichenau, Weil dadurch dessen niedere Gerichtsbarkeit beschränkt uud diejenige des Turmes erweitert wurde. Es müsse beim Alten bleiben wurde ver langt. Vom 10. VII. 1614 datiert die Berichterstattung an den Bischof und dieser verfügte in seiner Antwort vom 18. VIII. 1614, dass der Obervogt das bestmöglichste Abkommen für das Gottshaus, unter Ratifikation des Bischofs treffe und sowieso Letztern in dieser Angelegenheit stets anf dem Laufenden halte. Erledigt wurde der Streit unterm 8. IV. 1619 durch das Gericht Mannenbach. Nach dem betreffendem Urteil wurde Melchior Weber, der dem Gratiosen wieder besseres Wissen und trotz Mahnung der städtischen Behörden sein Haus oder seine Stallung neben dem Turm verkauft hatte, mit 10 fl. gebüsstt, die eine Hälfte bekam der Obervogt der Reichenau, die Andere die Stadt Steckborn. Der Kauf selbst wurde gut geheissen, immerhin unter Vorbehalt der städtischen und fürstlichen Rechte. 1617 vermählte sich der junge Johann Ulrich Gratiosus mit dem Edelfräulein Amalie von Castelmur aus Coltura im Bergell. Grossen Reichtum brachte sie nicht, aber sie war wenigstens vom Adel. Das erste Kind ein Knabe, Namens Gottfried, wurde laut Eintrag im hiesigen evangelischen Taufbuch am 30. VI. 1618 in herwärtiger Kirche getauft. Darin nannte sich der Vater: Hans Ulrich Huldrich, genannt Gratiosus von Wyden, die Mutter: Amalie Gratiosa von Wyden, eine geborene von Castelmur. Als Götti ist aufgeführt: Gottfried Graf zu Gottingen, jezt Huldrich, genannt Gratios von Glotz zu Wyden. Als Gotte ist eingetragen: Magdalena von Wyden, geborne Anna Damkalschwil. In Steckborn verblieb das Ehepaar, das sich nun von Wyden und von Steckborn schrieb nur bis 1619; es siedelte dann nach Wyden um, welches Schloss ja auch im Familienbesitz war. Das dortige grosse Gut und jene Gegend boten ja bessere Erwerbsverhältnisse und in jener drangvollen Zeit des 30jährigen Krieges auch mehr Sicherheit als Steckborn. Das zweitgeborene Kind Anna Magdalena geb. 1620 wurde in der Kirche zu Hausen getauft. In der Folge schwanden die Finanzen des Junkers zusehends. Von seinem Schwager Junker Dietrich von Castelmur entlehnte er 2000 fl. gegen Unterpfand des Turmes. Bald starb nun der alte Graf von Oettingen. Sein Sohn brach alle Verbindungen mit den beiden Joh. Ulrich ab und verlangte Bezahlung der geliehenen Geldern im Betrage von 4400 fl. Anfänglich wollte sich der Gratios von Wyden und Hausen durch gefälschte Quittungen von seiner Zahlungspflicht befreien, als dann aber die Fälschung bekannt werden sollte, erschwindelte er bei seinem Tochtermann Drechsel 5000 fl. unter der unwahren Angabe sein Bruder Esajas sei ihm 32 000 fl. schuldig. Um den Geber nun um genannte Summe zu prellen verschrieb Hans Ulrich alle seine Eigentumsrechte auf Schloss Wyden seinem Bruder Esajas. Dieser verstarb 1624 und jetzt ging letzteres auf seinen Sohn Johann Ulrich über, der seit 1619 von Steckborn wieder nach Wyden übersiedelt war. Segen lag auf dem durch Lug und Trug erworbenen Schlossgut nicht. Verfehlte Spekulationen, Missernten und wahrscheinlich noch Anderes führten zum Ruin. 1635 wurde das Besitztum verkauft, die Familie des joh. Ulrich, jun. zog auf einen Bauernhof nach Truttikon, dorten heiratete er zum zweiten Male, dann verscholl er bald. Der Turm war wieder feil. Man ging wieder auf die Käufersuche. Auch diesmal fand sich einer in der Person des Rudolf Chulott von Ensishofen im Elsass. Der Kauf kam um die Summe von 3600 fl. zu Stande. Der Ankauf war also bedeutend teuerer als 1613, wo er arrf 1950 fl. gelautet hatte. Die gemachten Reparaturen und Erweiterungen werden in Anrechnung gekommen sein, auch muss beigefügt werden, dass die damaligen kriegeri-schen Verhältnisse eine Verschlechterung des Geldwertes gebracht hatten. Die Zahlungsbedingungen waren sehr zuvorkommend, 2000 fl. mit 5 jähriger Zahlungsfrist wurden an den Briefgläubiger angewiesen, für den Resten von 1600 fl. gewährte der Verkäufer grossartig ebenfalls die gleiche Frist zur Bezahlung und dazu noch ohne Zins. Der betreffende Kaufvertrag datierte vom 6. VI. 1629, gefertigt wurde er vom Landgericht in Frauenfeld. Ueber die Person des neuen Käufers ist Nichts zu uns gekommen, man weiss nicht einmal, ob er hier gewohnt hat oder nicht. Nunmehr ging der Turm im September 1632 durch Kauf an den hiesigen Löwenwirt Ulrich Deucher über. Ueber Kaufpreis und Kaufsbedinguugen weiss man nichts, da der Kaufbrief nicht auffindbar ist. Als Junker Wolf Dietrich von Kastelmur vom Kaufe hörte, liess er durch seinen Schwiegervater Heidenheim auf Klingenberg das Zugrecht - Erwerbung des Besitzes um den vorher vereinbart gewesenen Kaufpreis - anmelden. Ersterer hatte eben noch die geliehenen '2000 fl., sowie seit 14 Iahren den Zins mit 1400 fl. zu gute. Ein Vermittlungsvertrag kam zu Stande und nach diesem hatte 1. Kastelmur an Deucher 600 fl. in zwei jährlichen Terminen zu bezahlen. 2. Deucher bezog den Hauszins von den Turmbewohnern als Entschädigung für seinen Mühewalt bis zur Abzahlung der 600 fl. 3. Wenn dies geschehen, dann hat Deucher den Turm samt den dazu gehörenden Dokumenten zu übergeben. In der Folge konnte Kastelmur die obigen Bedingungen nicht erfüllen und dadurch gelangte Ulrich Deucher in den rechtmässigen Besitz des Turmes. In Ruhe wurde er aber trotzdem von den Kastelmur nicht gelassen, immer wieder wurde ihm sein Besitztum streitig gemacht. Diese Anfechtungen veranlassten Deucher nach und nach einen Liebhaber für den Turm zu suchen. Er bot denselben dem Bischof von Konstanz an, doch dieser lehnte ab. Nunmehr interessierten sich auch die hiesigen Stattbehörden um den Turmbesitz, weniger wegen dem Gebäude selbst, als wegen der Jagdgerechtigkeit die mit dem Freisitz verbunden war. Es gab Kaufsunterhandlungen. Um 950 fl. hat der ersame, frome, ehrenveste und wyse Ulrich Döucher, Burger und Gastgeb zum Leuwen in Steckboren als Verkäuffer eins Teils, sodann Konrad Fülliman, Burgermaister, Hans Jakob Hausman, Seckelmeister und Ehrhardt Labhart des Raths, im Namen und als vollmächtige Anwält und Gewalthaber einer ganzen ersamen Gemeind und Burgerschaft der Statt Steckboren, Kouffer andern Teils, seinen adenlichen Freysitz und Behausung zum Thurm seinen Herren Köuffern verkauft und zu kouffen gegeben." Gefertigt wurde das Besitztum am 26. Septernber 1639 unter Jakob Lagger, des Raths zu Unterwalden ob dem Kernwald, Landvogt im Thurgau. Wieder gab dieser Verkauf Anlass zu Streitigkeiten. Der Bischof von Konstanz als Abt der Reichenau und der Vormund des Fräulein von Kastelmur meldeten den ,,Zug" an. Doch Deucher der damals das Amt eines reichenauischen Amtmanns in Steckborn bekleidete, blieb fest beim abgeschlossenen Kauf. Der Streit kam vor die Tagsatzung. Der Entscheid fiel zu Gunsten der Stadt Steckborn aus; 1642 kam sie in den Besitz des Turmes. Bald schritt man zum Ausbau desselben. Ein Vertrag vom 27. Februar 1648 mit Zimmermeister Michel Hussen über eine Baute daselbst sagt, dass dieselbe auf 44 Schuh im Geviert abzubinden und auf die Stockmauer im Turmhof aufzurichten sei. Daneben handelte es sich noch um hölzerne Torgericht- und Lichtereinsetzung und um Erstellung von Block und Bretterstägen und um Einziehen von Simsen. Die Kosten dafür betrugen: Aufrichtsbetrag 120 fl. 4 Mutt Kernen Steckborner Mass, 4 Eimer Wein, als Trinkgeld Tuch zu ein Paar Hosen und der Hausfrau 1 Dukaten. Etwas später wurde auch noch die Verrichtung eines steinern Torgerichts und von 2 Fensterstöcken an Christ. Würth, Steinmetz in Konstanz vergeben.

Das Gebäude erhielt nun den Namen Kaufhaus. Wohl ausser Zweifel galt erstere Baute der Ausbesserung oder dem Aufbau des westlich am Turme angebauten Nebengebäudes. Die Angabe Schaltegger, dass dieses Haus - das Kaufhaus, später in Privatbesitz übergegangen und dass z. Zt. in demselben eine Schmiedewerkstatt betrieben werde, kann nicht stimmen, das letzterwähnte Haus liegt südlich des Turmes. Ausser Zweifel hatte der Bau den Zweck, das Marktprivileg, den Wochenmarkt der zufolge eines Tagsatzungsbeschlusses vom Jahre 1588 auf den Samstag verlegt worden war, zu unterstützen und zu fordern. Laut der Marktordnung der Stadtbehörde von 1646 musste sich der Marktverkehr ganz auf das neue Kaufhaus konzentrieren, um bessere Einnahmen zu erhalten. Ab 1642, fast zweihundert Jahre lang, war der Turmhof Mietshaus. Besonderes ist darüber nichts zu melden. Die Liebhaber wurden aber immer seltener.
1834 kam Stadtammann Füllemann mit dem Gedanken an die Oeffentlichkeit im Turm eine Armenarbeitsanstalt einzurichten. Zwei Jahre später, am 9. VI. 1836 beschloss die Gemeindeversammlung mit 70 gegen 40 Stimmen die Errichtung einer solchen. Ein kleinerer Landwirtschaftsbetrieb wurde damit verbunden, die Leitung besorgten die Armenvater Guhl und Graf. Es ging nicht gut, des Letztern Worte: ,,item verbraucht" hört man gelegentlich hier noch, er hat sie gebraucht, wenn ihm der Beleg für einen Ausgabenposten fehlte. Schon am 2. Dezember 1853 beschloss die Gemeinde die Anstalt wieder aufzuheben. Nunmehr, am 3. Januar 1856 wurde beschlossen im Turm zwei Schulzimmer und zwei Lehrerwohnungen einzubauen. Erstere wurden bis 1864 benutzt, von da an diente der Neubau am Bach als Schulgebäude. Nachher mietete die evangelische Kirchgemeinde den Turmhof von der Bürgergemeinde zu Armenzwecken. 1899 wurde zu folge eines kantonalen Gesetzes das bisherige Schindeldach, im Ausmass von rund 300 Quadratmeter durch ein solches aus Kupferblech ersetzt. Die Kosten betrugen 9000 Franken. Am 5. Oktober 1902 beschloss die Bürgergemeinde den Turmhof unentgeltlich an die evangelische Kirchgemeinde zu Armenzwecken abzutreten, sofern sie das Gebäude, das Wahrzeichen Steckborn's, stilgerecht restauriere.

Turmhof

Das Augebot wurde unterm 9. November 1902 angenommen. Ausgeführt wurde die Restauration 1922/23 mit einem Kostenaufwande von 38,000 Franken. 1935 gab das Vorhandensein der Pfahlbau- und Waffensammlungen im Rathaus und von Antiquitäten bei Privaten sowie der wiedererwachte Sinn für das Vergangene Anlass zu Besprechungen zur Gründung einer Heimatvereinigung mit einem Ortsmuseum. Ein Initiativkomite nahm die Sache an die Hand und nach einer Anzahl von Besprechungen und Beratungen lud dasselbe auf Sonntag den 2. Febrnar 1936 zu einer offentlichen Gründungsversammlung in's Rathaus Steckborn ein. Sie hatte recht guten Erfolg. Die Heimatvereinigung am Untersee mit Heimatmuseum in Steckborn wurde aus der Taufe gehoben. Als geeigneter Platz fur Letzteres kam von Anfang an der Turmhof in Frage und es gelang dann auch mit der evangelischen Kirchenvorsteherschaft Steckborn einen Mietvertrag für den obersten Stock im Turmhof zur Unterbringung des Heimatmuseums abzuschliessen. Bezogen mit den bereits gesammelten Antiquitäten wurden fragliche Räume unterm 1. Juli 1937. Sie waren bald zu klein, Erweiterung wurde zum Bedürfnis. Passend dafür wurde der inzwischen frei gewordene erste Stock des Gebäudes befunden, allwo die Zimmer des eigentlichen Turmes mit denen des westlicheu Anbaues auf gleichem Boden sich befinden. Vertraglich wurde die Sache geordnet und nach dem die nötigen Reparaturen in verdankenswerterweise gemacht worden waren, konnte das Museum im Juni 1939 in die neuen Lokale übersiedeln.

Möge der Turm, der nun bereits ein Bestehen von über 600 Jahre hat, bis in ferne Zukunft unserem Orte als Zierde dienen.

Vom Heimatmuseum hoffen alle Interessenten, dass es in demselben seine bleibende Stätte habe und dass es stets Betreuer finden möge, die es mit Freude und Liebe pflegen und hegen. Ed. Hanhart 31. März 1940

Quellenverzeichnis:
Die Geschichte des Turms zu Steckborn von Staatsarchivar F. Schaltegger.
Thurg. Neujahrsblatt 1830 Steckborn von I. A. Pupikofer. Bürgerarchiv Steckborn: Hausmann'sche Chronik, Protokolle Kopialbücher und weitere Akten.