Das alte "Schuelhüsli" in Steckborn.

Das alte Schulhaus war eng mit der Kirche verbunden. Zur Kirche gehörten vier Kapellen, die zum Teil als Annexe an die Kirche angebaut waren. Die zugehörigen Stiftungen sind nur durch zwei Briefe beglaubigt. Sie betreffen die Pirmins- und die Maria-Kaplanei. Die Maria-Kaplanei war seinerzeit von der Steckbomer Bürgerschaft gestiftet worden. Sie darf wohl als das alte Schulhaus angesprochen werden. Mit den Kapellen waren Stiftungen verbunden, sog. Pfründen. Die dritte Pfründe verdient besonderes Interesse. Ihr Stifter war 1469 Ulrich Häring, offenbar ein auswärts wohnender, vermögender Steckbomer Bürger. Nach seinem Namen hiess sie "Häringspfründe", später auch Liebe Frauen- oder Mertzpfründe ge­nannt. Die letzte Nennung deutet auf den Inhaber dieser Pfründe, Kaplan Mertz, hin. Man geht kaum fehl in der Annahme, etwas Reb- und Wiesland und ein Kräutergarten hätten dazu gehört. Haus und Land bildeten den Naturallohn des Kaplans.


Ein anderer Kaplan, Jakob Hartnagel, bezog die Einkünfte der Maria-Kaplanei. Der dritte Kaplan, Johannes Düringer, hatte die Frühmesspfründe inne. Als Pfarrer amtete Leutpriester Benedikt Wyder ab ca. 1523. Alle vier Geistlichen traten 1528 samt der Gemeinde zum neuen Glauben über. Damit verstärkte sich der Einfluss Zürichs, während die Kollatur (das Recht, Priester zu ernennen) weiterhin beim Kloster Reichau verblieb; nach heutiger Auffassung eine ganz besondere Kuriosität. Wyder blieb bis 1531 in Steckbom. Ueber sein Einkommen stritten sich Zürich und die Reichenau. Es blieb kümmerlich. Die Kaplane Mertz und Hartnagel wurden 1528 vom Rat verpflichtet statt die Messe zu lesen, Schule zu halten. Düringer übernahm den Messmerdienst. Er war krank, an einem Auge blind und infolge eines Schlaganfalles am linken Arm gelähmt. Er durfte aber das Einkommen der Frühmesspfründe bis zu seinem Tode, 1546, nützen. Diese Pfründe betrug 129 Gulden. Versucht man, diesen Betrag in Franken zu berechnen, so dürfte man den Gulden zu etwa Fr. 2.50 rechnen. Dies ergäbe einen Betrag von Fr. 322.50. Diese Zahl besagt aber nicht viel, weil damals die Kaufkraft des Geldes eine ganz andere war als heute.

Die Schule im alten Schulhaus galt als I. Schule. Sicher ist, dass bis zum Bau des Seeschulhauses (1864) hier Schule gehalten wurde. Von einem der letzten Lehrer im alten Schuelhüsli vor dem Bau des Seeschulhauses, weiss man recht viel. Er hiess Heinrich Düringer, geb. 16. Juli 1781, gest. 25. April 1 868. Von 1806-1827 amtete er als Lehrer der I. Schule und von 1827-1856 als Lehrer der II. Schule. Heinrich Düringer war der Sohn des Malers Heinrich Düringer und der Verena Gräflein, wurde aber von seinem Onkel, Hutmacher Jakob Gräflein, auferzogen. Heinrich spielte gerne Geige, machte mit einigen Freunden Tanzmusik und verdiente sich so etwas Nebeneinkommen. Im Militär war er Feldweibel. Dass er zum Schulmeister in Steckbom ernannt wurde, hatte er Pfarrer und Schulinspektor Pestaluzz in Berlingen zu verdanken. Am 29. Mai 1806 wurde er definitiv an die Unterschule gewählt. Zur Zeit seines Todes war in Steckborn Pfarrer Martin Klotz, der neben poetischen und realistischen Schriften auch Gedichte schrieb.


Bis in unser Jahrhundert hinein war die Schulgemeinde Eigentümerin des Schulhäusleins. Bis 1912 diente es als Wohnung, und der letzte Inhaber derselben war der sagenumwitterte Lehrer Otto König. Er starb im Jahre 1912. Hierauf wurde dort die erste Gemeindekanzlei eingerichtet. Der in den 60er Jahren verstorbene Oskar Diethelm (geb. 1892) war der zweite Kanzlist und Gemeindekassier, und ich erinnere mich, noch ir­gendwo eine Photo mit dem Schalter am Eingang gesehen zu haben. Oskar Diethelm erzählte noch oft von der "Einrichtung" dieses ersten Büros, in dem z.B. ein Telefon fehlte. Wenn er telefonieren musste, begab er sich zu einem in der Nähe wohnenden Kreisbeamten, und dann gab es ja zu jener Zeit noch die Kopiergeräte, nach welcher Methode handgeschrie­bene Briefe vervielfältigt werden konnten. Eine Merkwürdigkeit muss noch erwähnt werden. Der Keller des Gebäudes gehörte nicht der Schul-, sondern der Bürgergemein­de. Dort lagerten Fässer, die wohl Wein aus den Rebbergen der Bürgergemeinde hüteten. Im Herbst fuhren beim Schulhäuslein Fuhrwerke auf mit Weinstanden, weswegen wohl früher die Brückenwaage erstellt worden war. Der Käufer dieser Trauben habe dann den Wein in einen andern Kanton verkauft, dessen Wein zu wenig Säure enthielt, und mit dem sauren Steckbomer sei jener dann halt- und geniessbar gemacht worden. Das Gebäude selbst wurde nicht gepflegt. An den Mauern prangten Plakate aller Art. Erst nach längeren Verhandlungen kam es wieder in den Besitz der evangelischen Kirchgemeinde. Bis zur Renovation verstrichen noch Jahre, die zum Teil bittere und bange Zeiten brachten für die Verfechter einer Wiederinstandstellung. Heute kann sich jeder von einer Lösung überzeugen, die in allen Teilen befriedigt.

Geschrieben am 3. September 1985                 Otto Wegmann