heeb    Hans Heeb

Das Postwesen

Wir alle wissen es – zu einer bestimmten Zeit können wir den Briefträger erwarten. Und das an sechs Tagen in der Woche. Und wenn wir von uns aus etwas zu erledigen haben, begeben wir uns „auf die Post“ oder zum nächsten Briefkasten. Auch das ist an sechs beziehungsweise sieben Tagen möglich.

Das aber war nicht immer so.

Wir leben hier am Untersee und am Rhein in einer wunderschönen und fruchtbaren Gegend. Von daher ist es auch verständlich, dass unsere Gegend schon früh besiedelt wurde. Ausgrabungen und Funde – in Ermatingen und Eschenz etwa – machen das deutlich. Und ebenso verständlich ist auch, dass wir hier in späteren Jahrhunderten auf eine beeindruckende Kultur stossen. Wir denken an die Städte Konstanz und Schaffhausen, die Städtchen Diessenhofen, Steckborn und Stein am Rhein, in Ermatingen an die paritätische Kirche, in Triboltingen an die St. Nikolausenkapelle, in Mannenbach an die Aloysiuskapelle, an die verschiedenen Schlösser, an die Propstei in Wagenhausen, an die ehemaligen Klöster Feldbach bei Steckborn und St. Katharinental bei Diessenhofen. Und selbstverständlich ist im Grunde genommen, dass sich durch diese Gegend auch sehr früh – sofern er erlaubt ist dieses Wort zu gebrauchen – eine Strasse zog.

Auf dieser Strasse hätten wir auch verschiedenen Menschen begegnen können. Söldnern, die sich in fremde Kriegsdienste begaben oder wieder einmal nach hause zurückkehrten. Studenten auf dem Weg an ihre Universität oder umgekehrt. Bauern, die in ihren malerischen Trachten auf dem Weg in ein Städtchen oder in eine Stadt waren. Kaufleuten. Boten der Schaffhauser Kaufmannschaft, die zwischen Schaffhausen und Konstanz verkehrten. Boten aber auch – die einen zu Pferde, die anderen zu Fuss - die irgendwem irgendwo irgendeine Nachricht zu überbringen oder solche entgegenzunehmen hatten.

Wann wir auf dieser Strasse erstmals offiziellen Boten, die regelmässig bestimmte Strecken bedienten, hätten begegnen können, vermögen wir nicht zu sagen. Wir können aber sagen, bis wann wir diesen Boten hätten begegnen können – bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts – dann wurden sie durch die Postkutschen ersetzt. Diese Boten taten ihren Dienst übrigens im Auftrag von Dörfern oder Städten, zum Teil auch auf privater Basis.

Zwischen Schaffhausen und Konstanz war jeweils ein Postreiter unterwegs. Er war eine ehrfurchtgebietende Gestalt. Er war angetan mit einem blauen Frack mit Schwalbenschwänzen, Lederhosen und Stiefeln. Auf dem Kopf trug er einen schwarzen Zylinder. Einen Zwilchsack, in dem er die Postsachen verstaut hatte, hatte er dem Pferd über die Kruppe gebunden. Weitere Boten waren zu Fuss unterwegs. Von Stein am Rhein und Steckborn nach Konstanz. Von Berlingen her kam offenbar eine Botin nach Ermatingen.


Und dann – es gab neben „unserer Strasse“ natürlich auch weitere Verbindungen. Von Ermatingen nach Frauenfeld oder hinüber auf die Reichenau und weiter hinaus in die Dörfer des Hegau. Von Steckborn nach Zürich. Und dann wurden Postsachen auch auf Lastschiffen seeauf- und seeabwärts befördert.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Postboten durch die Postkutschen ersetzt. Von 1833 an fuhren Postkutschen von Schaffhausen nach Konstanz und umgekehrt. Es waren Postkutschen der Familien Thurn und Taxis. Eilwagenkutschen gab es zwischen Zürich und Konstanz – über Frauenfeld und Steckborn. Und was eigentlich für die damalige Zeit erstaunlich ist – eine Fahrt von Frauenfeld nach Konstanz dauerte wenig mehr als drei Stunden. Verhältnismässig hoch scheint allerdings der Fahrpreis gewesen zu sein – Frauenfeld-Konstanz einfach Fr. 3.30. Als von 1865 an zweimal täglich von Schaffhausen nach Konstanz ein Schiff verkehrte und umgekehrt, konnten Postkutschenkurse, die dem Rhein und dem See entlang führten, zum Teil aufgehoben werden. Und als am 17. Juli 1875die Bahnlinie Winterthur-Etzwilen-Konstanz eröffnet wurde, konnten wiederum Postkutschen eingestellt werden. Im Winter 1871/1872 war der See vom Dezember bis im März zugefroren. Das hatte dann zur Folge, dass vorübergehend wieder Postkutschenkurse geschaffen werden mussten.

Im Jahre 1922 gab es erstmals pro Tag zwei Postautokurse zwischen Ermatingen – Fruthwilen - Raperswilen und Müllheim-Wigoltingen. Ein Foto des vielleicht ersten Postautos, das damals nach Ermatingen kam, findet sich im Buch „Damals bei uns im Thurgau“, von Hans-Ulrich Wepfer, erschienen im Jahr 1978 im Verlag Huber Frauenfeld – ein Foto hängt heute auch im Gasthaus Adler in Ermatingen. Mit diesem Foto hat es aber eine besondere Bewandtnis. Unter dem Foto stehen nämlich die Worte: „Seit 1904 gibt es im Thurgau Postautokurse. Sie waren erst privat und gingen wegen Betriebsstörungen und mangelnder Rentabilität bald wieder ein. Auf unserem Bild ist wahrscheinlich ein vor 1910 im Hinterthurgau eingesetzter Wagen zu sehen“. Der Ermatinger Robert Kreis-Tschamper schaute sich das Foto an und erkannte im Hintergrund die Läden des Gasthauses Adler in Ermatingen – das Postauto befindet sich also nicht irgendwo im Hinterthurgau, sondern vor dem Adler in Ermatingen. Und dann – sowohl im Auto wie auch vor dem Auto haben sich verschiedene Personen um den Fotographen gestellt. Unsere langjährige Kindergärtnerin Louise Steiger hat diese Personen vor kurzem identifiziert. Es sind dies – im Auto sitzend hinten: Gemeindeammann Müller-Sauter – im Auto sitzend vorne: Sekundarlehrer Jakob Engeli – vor dem Auto stehend – von links nach rechts: Müller Ammann von der oberen Mühle – Metzger Kopp von der Löwenmetzgerei – vermutlich eine Angestellte des Gasthauses Adler – Max Heer, ein Bruder der damaligen Adlerwirtin – Klara Läubli von der Metzgerei Läubli. Damit aber lässt sich das Foto auch datieren. Weil die Postautolinie Ermatingen – Müllheim-Wigoltingen im Jahr 1922 eröffnet wurde, Sekundarlehrer Jakob Engeli aber im September 1923 starb, muss das Foto im Jahr 1922 oder 1923 entstanden sein. – Wegen der schlechten Bahnverbindung gab es zeitweise auch einen Postautokurs nach Kreuzlingen.

Im Jahr 1807 wurde das thurgauische Postwesen pachtweise an Zürich vergeben. In diesem Zusammenhang wurden im Thurgau dann auch die ersten Poststellen geschaffen – in Frauenfeld, Steckborn und Tägerwilen. Im Jahr 1845 bekamen Ermatingen, Mannenbach und Berlingen eigene Poststellen. Unsere erst Poststelle befand sich im Oberdorf, die zweite in der Schule im alten Rathaus, die dritte in der Schule bei der Bachbrücke, die vierte „beim Seefeld, gegenüber der Ammannschen Weinhandung“ – gemeint ist hier das Haus, in dem sich später die Drogerie befand. Im Jahr 1885 kam das Postbüro in das Haus an der späteren Poststrasse, in dem sich jetzt ein Kindergarten befindet. Das Haus ist heute noch bekannt unter dem Namen „alte Post“. Damit kam die Post dann aber auch in die Nähe der Bahnstation. Im Jahr 1956 wurde das jetzige Postgebäude in Betrieb genommen. Schon 13 Jahre früher – im Jahr 1943 – wurde die Postautogarage in der Hardmühle erstellt.

Im Jahr 1876 wurde in Fruthwilen eine Postablage eingerichtet. Auf den 1. Januar 1916 wurde die Poststelle Triboltingen von Tägerwilen abgetrennt und mit Ermatingen verbunden.

Vor allem am Ende des 19. und am Anhang des 20. Jahrhunderts wurde unsere Ermatinger Post stark aufgewertet. Das hing zum Teil zusammen mit den Schlössern, die sich in unserem Bereich befinden. Die Telegraphenstelle war zeitweise mit dem Schloss Arenenberg verbunden. Es gab Zeiten, in denen pro Tag über hundert Telegramme aufgegeben wurden. Aufgewertet wurde unsere Post damals aber auch durch den Fremdenverkehr – das Gasthaus Adler allein verfügte über mehr als 100 Betten – und die aufkommende Industrie. Die Firmen Läubli und Blattner versandten beträchtliche Mengen von Fischen. Der Erste Weltkrieg brachte dann einerseits gewisse Einschränkungen, er stellte unsere Post aber auch vor neue Aufgaben. In unserem Dorf befand sich während des Ersten Weltkrieges immer eine Grenzschutzeinheit. Dann aber waren bei uns zeitweise auch – im Schloss Hard, im Gasthaus Hirschen und im Seefeld – ungefähr 300 Internierte untergebracht.

Und Hier die Namen der Posthalter, die seit 1845 hier in Ermatingen amteten:

Ammann Elias

Geiger Gottfried

Müller Sebastian

Kreis Sebastian

Kreis Otto

Ammann Konrad

Eggenberger Albert

Burgermeister Walter

Brüschweiler Walter

Michel Reinhard.

Während die Gehaltssituation beim ersten Stelleninhaber nicht ganz klar ist, scheint sein Nachfolger – er amtete von 1846 bis 1858 – mit einem Jahresgehalt von Fr. 16.30 seine Arbeit begonnen und mit einem solchen von Fr. 400.— abgeschlossen zu haben. Dieser zweite Stelleninhaber war der Oberlehrer Gottfried Geiger. Er besorgte seine Arbeit während und neben der Schule – zunächst noch in der Schule im alten Rathaus – dann – von 1847 an – in der neuerbauten Schule bei der Bachbrücke. Im grossen Pult waren neben verschiedenen Schulsachen auch die notwenigen Postutensilien aufbewahrt. Seine fünf Kinder waren die unbesoldeten Gehilfen und Briefträger.

Am 9. September des letzten Jahres verstarb unser Posthalter Reini Michel – infolge einer seltenen, schweren Krankheit. Reini Michel war seinerzeit als Sohn des Edy Michel und der Elisabeth geb. Meyer in Ermatingen aufgewachsen. Als Posthalter war er im Jahr 1992 von Au bei Wädenswil am Zürichsee nach Ermatingen zurückgekommen. Wir behalten Reini Michel in Erinnerung als einen stets freundlichen und immer hilfsbereiten Beamten.

Vom 1. Januar 2010 an amtet Heidi Bügler aus Triboltingen als neue Poststellenleiterin.

Heute leben noch vier Posthalter, die in Ermatingen beziehungsweise Triboltingen pensioniert worden sind. Walter Burgermeister, von 1953 bis 1975 Posthalter in Ermatingen – er lebt heute in einem Altersheim in Amriswil und steht im 100. Lebensjahr. Walter Brüschweiler von 1976 bis 1992 Posthalter in Ermatingen, Hans Schwarz vom 1972 bis 1989 Posthalter in Triboltingen und Hans Nater, vom 1989 bis 2002 – beziehungsweise bis zur Aufhebung der Post in Triboltingen – Posthalter in Triboltingen. Von 2002 bis 2008 hat Hans Nater dann noch als Briefträger gearbeitet.

Obwohl es sich hier um eine Arbeit über die Ermatinger Post handelt, bleibe an dieser Stelle die Post von Mannenbach-Salenstein in Mannenbach nicht unerwähnt. Der Poststellenleiter ist heute Walter Kaderli. Die Poststelle ist während vier Stunden am Tag geöffnet. Der letzte Posthalter und Briefträger, der in Mannenbach-Salenstein pensioniert wurde, ist Kurt Hanselmann; er amtete vom 1984 bis 1995 in Mannenbach-Salenstein und lebt heute in Mannenbach. Bevor auch in Mannenbach-Salenstein der Hausservice eingeführt wurde, waren verschiedene Frauen in Teilzeit als Briefträgerinnen eingesetzt.

Im Jahr 1875 wurde in Ermatingen der erste Briefträger angestellt, Dieser erst Briefträger war Daniel Friedrich. Sein Nachfolger was Jos Friedrich und dessen Nachfolger Johann Herzog. Im Jahr 1899 wurde eine zweite Briefträgerstelle geschaffen. Um 1990 herum gab es in Ermatingen eine zeitlang vier Zustellungen pro Tag. Auch wurde die Post eine zeitlang auch am Sonntag zugestellt. Weil die Bahn von 1920 an am Sonntag keine Postsendungen mehr beförderte, wurde die Zustellung dann auch auf die Werktage beschränkt. Heute leben noch zwei Briefträger, die in Ermatingen pensioniert worden sind. Es handelt sich um Hans Kreis und Jakob Schaltegger.

Im Postbüro geht es heute noch darum, dass die Aufgaben erledigt werden, die anfallen. In Ermatingen wird „die Post“ einmal am Tag zugestellt. Triboltingen, Fruthwilen, Salenstein und Mannenbach werden von Ermatingen aus „im Rahmen des Hausservices“ bedient, das heisst, die Briefträgerin oder der Briefträger bringen einerseits die Postsachen, andererseits kann man ihnen aber auch Briefe, Pakete und Einzahlungen mitgeben. Die Paketpost wiederum wird separat zugestellt. Wir alle wissen es – im Bereich der Post sind in der letzten Zeit wesentliche Umstrukturierungen vorgenommen worden. Diejenigen, die für diese Umstrukturierungen verantwortlich sind, werden finden, dass sie gut und notwendig gewesen wäre. Wir, die Benützer der Post, haben mit diesen Neuerungen oft eher Mühe. Sicher ist, dass durch diese Neuerungen menschliche Beziehungen, die heute so notwenig wären, erschwert werden oder verloren gehen.

Ich denke nun allerdings, dass es an dieser Stelle nun in erster Linie einmal darum geht, all denen herzlich zu danken, die immer wieder für uns da sind oder da gewesen sind – sei es im Postbüro, als Briefträgerin oder als Briefträger, als Postautochauffeuse oder als Postautochauffeur.

Ermatingen, den 7. Dezember 2009

Und hier noch ein Nachwort

Dieser Artikel steht unter dem Motto; „Was willst du in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah“. Auf der Suche nach Unterlagen für diesen Artikel habe ich mich bis nach Bern durchgefragt. Niemand wollte etwas von der Geschichte der Post wissen. Dass dieser Artikel dann doch geschrieben werden konnte, verdanke ich dem jetzt leider verstorbenen Posthalter Reini Michel und seiner Frau Erika. Die wesentlichen Unterlagen für diesen Artikel fanden sich schliesslich nämlich – in einem Tresor der Post von Ermatingen! Vielen Dank für eure Hilfe, Reini und Erika!