Vom Hanf und Flachs

Fast jede Familie hatte ein Hanf- und ein Flachsäckerlein. Der Boden musste gut gedüngt und gepflegt werden. Der Samen wurde im Frühling möglichst dicht gesät, damit die jungen Pflanzen enge zu stehen kamen und ihre Stengel lang, dünn und wenig verästelt wurden. Bis zur Zeit der Blüte, etwa zu Ende Juli, wurde der Hanf gegen 2m hoch. Diejenigen Pflanzen, die man nicht zur Samengewinnung verwenden wollte, wurden aus dem Boden gerissen und auf einer Wiese zum Trocknen ausgelegt. Nachher kamen sie entweder in einen Wasserteich, die Rose, oder auf die nasse Roswiese, wo man sie liegen liess, bis sie üblen Geruch verbreiteten. Hierauf erfolgte wieder eine Trocknung; die holzigen Teile der Stengel wurden spröde und konnten dann auf der zweiteiligen Hanftolpe gebrochen und zum Teil von den Gespinstfasern getrennt werden. „Ageln“ nannte man diese Abfälle. Um alle zu entfernen, wurden die Fasern noch auf dem Schwingstock mit einem schwertförmigen Holze geschlagen oder durch die Reibmühle getrieben. Die letzte Behandlung erhielten die Bastfasern, auch Werg genannt, indem sie durch die Hechel gezogen wurden. Die schönen, langen Partien, „Riste“ genannt, wurden in Strähnen gebunden und waren dann zum Verspinnen im Winter bereit. Die groben, gebrochenen, kurzen Fasern lieferten den „Chuder“, der hauptsächlich als Verstopf- oder als Putzmaterial in verschiedenen Handwerken Verwendung fand. Beim Verspinnen der Riste befestigte man die Strähnen am Spinnrocken, auch Kunkel genannt. Aus denselben zupfte man mit der linken Hand die Fäden heraus, drehte sie mit der rechten Hand, worauf sie auf die in einem Wirtel rotierende Spindel oder auf die Spule des Spinnrades aufgewunden wurden. Gesponnen wurde meist im eigenen Hause, abends auch in den Licht- oder Spinnstubeten. Zu diesen kamen jüngere Frauen und Mädchen mit ihren Spinnrädern in Privathäusern zusammen. Bei gemütlichem Plaudern war man fleissig an der Arbeit. Am späten Abend kamen die Abholer, die Ehemänner und jungen Burschen, zur Stubeten. An Stelle der Spinnarbeit trat die Geselligkeit; man sang, tanzte, machte Pfänderspiele und liess sich bei Speise und Trank wohl sein, bis es Zeit zur Heimkehr war. Die in Stangen gefassten Fäden wanderten zum Weber, bei dem dann die verschiedenen Tuchsorten entstanden. Ein Kasten, eine Truhe voll eigener Leinwand war der Stolz jeder Hausmutter. Die winterliche Ruhe gab Frauen und Töchtern auch die Zeit zum Spitzenklöppeln, zum „Wirken“, wie wir im Dialekt sagten. Diese Hausindustrie fand 1820 hier Eingang. Ihre Produkte dienten als Garnitur und Zierde zu verschiedenen Wäsche- und Kleidungsstücken. Die Nachfrage nach solchen Spitzen war recht gross. Verschiedene Frauen besorgten auswärts den Verkauf; die Zentrale für Übernahme und Verschleiss der Spitzen befand sich im „Oberhaus“ dahier. Der Verdienst der Wirkerinnen war sehr bescheiden. Etwelche Besserung brachte 1845 das Einklöppeln von Stroh. Als dann noch die Konkurrenz durch die Maschine kam und sich auch andere Erwerbsmöglichkeiten boten, ging die Zahl der Wirkerinnen stark zurück. In letzter Zeit ist einzig das Verklöppeln von Rosshaar zu Trachtenzwecken noch gewinnbringend.